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Die 39 Zeichen 09 - Ruf der Karibik

Die 39 Zeichen 09 - Ruf der Karibik

Titel: Die 39 Zeichen 09 - Ruf der Karibik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Sue Park
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sich. Sie war kurz davor, der alten Frau die Schachtel zu entreißen.
    Dan stand von den Stufen auf und Amy rutschte ein Stück näher.
    Die alte Frau nahm den Deckel der Schachtel ab und schob eine schützende Watteschicht beiseite. Sie alle beugten sich vor, um zu sehen, was in der Schachtel lag.
    Es war eine kleine silberne Schlange.
    Genau dieselbe, die Nellie als Nasenring trug.

Zehntes Kapitel

    »Bestell du für mich«, sagte Nellie zu Amy.
    Zum ersten Mal, seit die drei zusammen unterwegs waren, sah Nellie nicht in die Speisekarte. Sie war zu beschäftigt, um ans Essen zu denken.
    Sie waren mehrere Stunden bei Miss Alice geblieben – so lange wie es gedauert hatte, die ganze Geschichte anzuhören.
    Vor mehreren 100 Jahren hatte eine Vorfahrin von Miss Alice auf Kuba als Kindermädchen gearbeitet. Eines Tages hatte eine Frau ihr Kind in die Obhut des Kindermädchens gegeben und ihr zudem ein Paar silberne Schlangenohrringe anvertraut. Danach verließ sie Kuba, um bei ihrem Mann zu sein. Auf hoher See.
    Sie waren Piraten .
    Als das Kind noch im Säuglingsalter verstarb, war das Kindermädchen so verzweifelt, dass sie schwor, die Ohrringe nie aus den Augen zu lassen – komme, was da wolle. Aber im Laufe der Jahre ging trotz allem ein Ohrring verloren. Die Familie von Miss Alice bewahrte den übrig gebliebenen Ohrring weiterhin sorgsam auf. Und so wurde die kleine silberne Schlange über fast dreihundert Jahre hinweg von Mutter zu Tochter weitergegeben.
    Irgendwie hatte Grace in Erfahrung gebracht, dass der zweite Ohrring in Mexiko gelandet war, bei einem anderen Zweig der Familie. Auch er war sorgsam gehütet und weitergegeben worden. Als einer Generation der Familie keine Tochter geboren wurde, reichte man den Ohrring einfach an den Sohn weiter, und als dieser erwachsen war und selbst Kinder hatte, gab er den Ohrring seiner ältesten Tochter.
    Nellie.
    Nellie rieb sich mit einer Hand den verspannten Nacken.
    »Wenn Grace den Ohrring schon so früh bei meiner Familie entdeckt hat, muss sie mich ja schon seit Jahren im Auge gehabt haben«, schmunzelte sie. »Aber sie hat nie etwas davon gesagt. Warum hat sie es mir nicht erzählt?«
    »Tja«, kommentierte Amy. »Jetzt weißt du, wie es sich anfühlt.«
    Nellie funkelte sie an. »Wovon redest du?«
    »Du hast uns auch nicht die ganze Wahrheit erzählt – so wie Grace dir.«
    Nellie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Das ist doch was völlig anderes!«
    Amy hob die Augenbrauen. »Findest du?«
    Ihre Gelassenheit machte Nellie nur noch wütender. »Ich rede hier von meinem gesamten Leben!«, wetterte sie und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Es geht einfach um alles! Ich meine – was ist zum Beispiel mit den Flugstunden?«
    »Flugstunden?«, erkundigte sich Dan, der sich über den abrupten Themenwechsel wunderte.
    »Die sind teuer, oder? Aber mein Dad meinte, das sei kein Problem. Hat Grace sie bezahlt? Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, war es nicht einmal meine Idee, sondern seine! Oder vielleicht war es sogar Grace’ Idee und meine Eltern machten von Anfang an gemeinsame Sache mit ihr!« Das Au-Pair-Mädchen rang nach Luft, es klang beinahe wie ein Schluchzen. »Hier geht es nicht nur um diese bekloppten Zeichen, sondern um meine Familie!«
    Amy sah sie lange an. »In den vergangenen Monaten«, sagte sie ruhig, »hat unsere Familie aus uns dreien bestanden.«
    Keiner sagte etwas. Dieser eine Satz schwebte nun unheilvoll über ihnen.
    Nellie sah in die Gesichter der Kinder – beide waren so ernst, wie sie es noch nie erlebt hatte.
    Es stimmt , dachte Nellie. Keine Eltern, keine Großmutter mehr und eine Tante, die sie nicht will . Das schlechte Gewissen packte sie, wieder einmal. Nicht nur, weil sie die beiden angelogen hatte, sondern auch, weil sie beteiligt war an dem, was bald geschehen würde …
    Sie ließ sich nach vorne sinken und legte den Kopf in die Hände. »Also gut, ich hab’s kapiert«, sagte sie leise. »Ich dachte, ich hätte es schon vorher verstanden, aber jetzt weiß ich wirklich, was in euch vorgegangen ist, als ihr erfahren habt, dass ich für Grace und McIntyre arbeite. Ihr fühlt euch hintergangen, und genauso fühle ich mich jetzt auch.«
    Das Schweigen zwischen den dreien wurde immer unangenehmer. Doch sie wurden vom Kellner gerettet, der drei Teller mit marinierten und über einem Holzfeuer gegrillten Hähnchen brachte.
    Nellie war auf einmal wie ausgehungert und machte sich sofort über das Geflügel

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