Die 39 Zeichen 10 - Der Schlüssel zur Macht
Dunkelheit.
Dan blinzelte und im selben Augenblick wurde der Raum mit hartem, grellem Licht geflutet. Jemand hatte den Schalter gedrückt.
Jetzt konnte Dan sehen, wer dort stand. Er konnte sehen, wer gesprochen hatte. Er konnte sehen, wer die Phiole in der Hand hielt.
Es war Isabel.
Sechsunddreißigstes Kapitel
»Nein!«, heulte Amy und sank auf den Boden. »Nein! Ian und Natalie, sie haben gesagt, Isabel wäre hinter uns!«
»Das dachten wir auch!«, protestierte Ian. Er schien am Linoleum festgewachsen zu sein. Amy wunderte sich, dass er nicht zu seiner Mutter hinübertrottete.
Isabel lachte. Es klang furchtbar.
»Ihr wart alle so leicht zu täuschen«, verkündete sie mit ihrer kultivierten und selbstsicheren Stimme, die Amy einmal bewundert hatte.
Jetzt tat das Zuhören weh.
»Selbst die Madrigals haben nicht daran gedacht, dass jemand von der anderen Seite in den Tunnel kommen, an strategischen Punkten Sprengladungen anbringen und auf der Lauer liegen könnte …«
»Aber mit den Explosionen hättest du auch mich und Ian töten können!«, klagte Natalie.
»Halt mal. Sind Ian und Natalie noch auf Isabels Seite oder nicht?«, fragte Dan.
»Völlig egal!«, rief Hamilton. »Jedenfalls sind die Lucians in der Minderheit. Wir schnappen sie uns alle!«
Er rannte los und hatte dabei eindeutig Isabel im Visier.
Amy hörte den Schuss, bevor sie überhaupt die Pistole sah.
Hamilton sprintete nach vorn und ging in Position. Dies würde der beste Zweikampf seines Lebens werden.
Schade, dass Dad mir nicht zusehen kann , dachte er.
Im nächsten Moment spürte er, wie ihm etwas aus der Hand gerissen wurde.
Nein, quasi in seiner Hand verdampfte.
Er sah an sich herab. Die Seilfackel, die er eben noch gehalten hatte, war verschwunden.
Er hob den Blick in Richtung Isabel.
»Das war ein Warnschuss«, sagte Isabel, die Augen zu Schlitzen verengt. »Nächstes Mal lasse ich Blut fließen.«
Hinter sich hörte Hamilton die anderen schreien. Er ignorierte sie, so wie er stets das Lärmen der Menge ausblendete, wenn er sich auf einen Kampf vorbereitete. Er konzentrierte sich ganz und gar auf Isabel. Er sah, dass sie die Phiole auf eine Ablage gelegt hatte, um die Pistole in die Hand zu nehmen. Er sah, wie groß diese Waffe war. Sie konnte mehrere Schüsse abgeben, unmittelbar hintereinander. Er sah, wie fachmännisch Isabel sie hielt.
Und er sah, wohin sie jetzt zielte: direkt auf sein Herz.
Hamilton bremste ab.
»Der Rest von euch legt jetzt diese albernen, primitiven Fackeln ins Waschbecken«, befahl Isabel und wies auf die andere Seite des Raums. »Einer nach dem anderen, damit ich euch beobachten kann. Alistair geht als Letzter und dreht das Wasser auf, um die Flammen zu löschen.«
Alle stolperten wie in Trance nach vorne. Wie die anderen tat auch Alistair, was Isabel verlangte. Er wartete ab, lauerte.
Er bemerkte, dass sie, seit Hamilton sich abgewandt hatte, nicht mehr auf sein Herz zielte.
Vielleicht will sie ihn gar nicht töten , überlegte Alistair. Vielleicht braucht sie ihn? Genauso wie sie alle anderen braucht?
Alistair erinnerte sich, wie oft sie in den Tunneln auf das Schaltbrett mit den fünf Knöpfen gestoßen waren, für das eine Person aus jedem Zweig erforderlich gewesen war.
Aber Isabel hat die Phiole schon , dachte er. Sie hätte damit verschwinden können, bevor wir überhaupt hier eingetroffen wären. Sie hätte den Tunnel komplett in die Luft jagen und uns alle schon längst töten können.
Warum hatte sie das nicht getan?
Amy stolperte. Alistair war hinter ihr, fasste sie am Arm und zog sie hoch. Er schüttelte mit ernster Miene den Kopf.
Unternimm nichts , wollte er ihr und allen anderen raten. Beobachte. Schau erst, was Isabel vorhat, bevor du irgendetwas tust.
Aber sie waren verängstigte, ungeduldige Kinder. Wie lange würde es dauern, bis irgendjemand etwas Unüberlegtes tat?
Alistair ging im Geiste verschiedene Pläne durch. Wenn wir … nein, das geht nicht. Oder wenn … nein, so auch nicht.
Alistair konnte sich viele Möglichkeiten vorstellen, wie sie Isabel überwältigen könnten. Aber ihm fiel keine einzige ein, bei der er am Ende die Phiole in der Hand halten würde.
»Lauf zurück in Gideons Labor und hole Jonah«, befahl Isabel ihrem Sohn. »Ich möchte, dass er bei uns ist.«
»Nein«, entgegnete Ian. »Ich bin nicht dein Diener. Ich will nicht einmal mehr dein Sohn sein. Ich … ich sage mich los! Natalie und ich … wir beide.«
»Stimmt«, sagte
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