Die 4 Frau
unsere Arbeit uns ein paar gemeinsame Stunden gönnte, wie an diesem Tag, dann fühlten wir uns einander unbeschreiblich nahe. Doch dann kam der Morgen, Joe musste nach Washington zurückfliegen, und ich wusste nicht, wann ich ihn wieder sehen würde –oder ob es mir je wieder so gut gehen würde.
Irgendjemand hat einmal gesagt, dass die Liebe einen findet, wenn man bereit für sie ist.
War ich bereit?
Das letzte Mal, als ich einen Mann so geliebt hatte, war er einen schrecklichen Tod gestorben.
Und was war mit Joe?
Er war ein gebranntes Kind, hatte eine Scheidung hinter sich. Würde er je wieder einem Menschen ganz und gar vertrauen können?
In diesem Moment, als ich in seinen Armen lag, war ich im Innersten hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, alle Wände zwischen uns niederzureißen, und dem Bedürfnis, mich vor dem quälenden Schmerz unserer bevorstehenden Trennung zu schützen.
»Wo bist du gerade, Linds?«
»Hier bin ich. Hier bei dir.«
Ich hielt Joe fest umschlungen, und ich riss mich aus meinen widerstreitenden Gedanken zurück in den Augenblick. Wir küssten und berührten uns, bis wir das Getrenntsein nicht mehr aushalten konnten und erneut miteinander verschmolzen. Ich stöhnte und flüsterte Joe ins Ohr, wie gut ich mich fühlte – wie gut
er
war.
»Ich liebe dich, Linds«, murmelte er.
Ich sprach seinen Namen aus, sagte ihm, dass ich ihn auch liebte, und dann schlugen die Wogen der Lust über mir zusammen, und ich warf endlich alle meine ängstlichen, zerstörerischen Gedanken über Bord.
Danach hielten wir uns noch lange eng umschlungen, lagen einfach da und schöpften Atem, während das Zimmer sich immer noch um uns drehte – als es plötzlich an der Tür klingelte.
»Mist«, sagte ich. »Tun wir einfach so, als hätten wir es nicht gehört.«
»Wir müssen aber aufmachen«, sagte Joe leise. »Es könnte für mich sein.«
34
Ich stieg über Joe hinweg, schlüpfte in meine Shorts und streifte mir Joes Hemd über, während ich zur Tür ging. Auf der Veranda stand eine attraktive Frau um die fünfzig mit einem erwartungsvollen Lächeln auf den Lippen. Mit ihrem Tenniskleid und dem Lilly-Pulitzer-Jäckchen war sie zu schick für eine Zeugin Jehovas, und für eine FBI-Agentin wirkte sie zu fröhlich.
Sie stellte sich als Carolee Brown vor.
»Ich wohne unten am Cabrillo Highway, ungefähr eine Meile nördlich von hier. Das blaue viktorianische Haus mit dem langen Maschendrahtzaun drum rum.«
»Klar, das kenne ich. Das ist doch eine Schule, nicht wahr?«
»Genau, das ist es.«
Ich wollte nicht abweisend sein, aber es war mir ein bisschen peinlich, wie ich da stand mit meinem von Joes Bartstoppeln geröteten Gesicht und den vom Liebesspiel zerwühlten Haaren.
»Was kann ich für Sie tun, Ms. Brown?«
»Dr. Brown, wenn schon, aber sagen Sie bitte Carolee zu mir. Und Sie sind Lindsay, nicht wahr? Meine Tochter und ich kümmern uns für Ihre Schwester um Penelope. Das hier ist für Sie.« Sie drückte mir einen mit Alufolie bedeckten Teller in die Hand.
»Oh, natürlich, Cat hat von Ihnen gesprochen. Tut mir Leid. Ich würde Sie liebend gerne hereinbitten, aber –«
»Ach, woher denn. Ich wollte doch nur kurz Hallo sagen –und die Plätzchenfee spielen. Willkommen in Half Moon Bay.«
Ich dankte Carolee, und wir plauderten noch ein wenig, bis sie sich schließlich verabschiedete und in ihren Wagen stieg. Beim Hineingehen nahm ich die Morgenzeitung mit und überflog auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer die Titelseite. Heiter bis wolkig, Nasdaq zehn Punkte im Minus, immer noch keine Fortschritte bei der Aufklärung der Crescent-Heights-Morde. Es war beinahe unvorstellbar, dass an diesem reizenden Ort Menschen ermordet worden waren.
Ich erzählte Joe von den Bluttaten. Dann zog ich die Alufolie von dem voll beladenen Teller.
»Chocolate Chip Cookies«, vermeldete ich. »Von der Plätzchenfee.«
»Von der Plätzchenfee? Ist das so was Ähnliches wie der Osterhase?«
»So was Ähnliches, glaube ich.«
Joe sah mich mit diesem verträumten Blick an.
»Steht dir ganz hervorragend, mein Hemd.«
»Danke, Boss.«
»Aber noch besser siehst du ohne aus.«
Ich grinste und stellte den Teller weg. Dann knöpfte ich Joes hübsches blaues Hemd ganz langsam auf und ließ es von meinen Schultern gleiten.
35
»Ich hatte auch mal ein Schwein wie das hier«, sagte Joe, als wir uns am Abend desselben Tages über den Zaun von Penelopes Verschlag beugten.
»Mach keine Witze! Du bist doch in
Weitere Kostenlose Bücher