Die 4 Frau
erwiderte Carolee. »Sehr freundlich von Ihnen.« Dann wandte sie ihm den Rücken zu.
»Ich heiße Dennis Agnew«, hakte er nach. »Klar, ihr kennt mich nicht, aber das können wir ja schnell ändern. Wie wär's denn, wenn die Damen mir ein Plätzchen an ihrem Tisch anbieten würden? Das Essen geht auf mich.«
»Danke vielmals, Dennis«, sagte ich, »aber wir amüsieren uns auch ohne Sie ganz gut. Wir haben heute unseren männerfreien Abend, wissen Sie.«
Die Miene des Mannes verfinsterte sich für einen Moment, wie die Lichter bei einem vorübergehenden Stromausfall. Einen Sekundenbruchteil später war seine großspurige Art wieder da, ebenso wie sein gewinnendes Lächeln.
»So gut
könnt
ihr euch gar nicht amüsiert haben ohne mich. Nun ziert euch nicht so. Und wenn ihr zu der Sorte Mädels gehört, die nicht auf Männer stehen – na wenn schon; damit hab ich kein Problem. Wir wollen doch nur nett zusammen essen.«
Dennis Agnews Art war eine verrückte Mischung aus aalglattem Charme und plumper Anmache, aber was immer er im Schilde führte, ich hatte genug davon.
»He, Dennis«, sagte ich und fischte meine Dienstmarke aus der Handtasche, um sie ihm unter die Nase zu halten. »Ich bin Polizeibeamtin, und dieses Gespräch hier ist vertraulich Verstanden?«
Ich sah die Pulsader an seiner Schläfe zucken, während er sich bemühte, einen Abgang zu machen, ohne das Gesicht zu verlieren.
»Sie sollten keine vorschnellen Urteile fällen,
Officer
. Schon gar nicht über Leute, die Sie nicht kennen.«
Agnew ging zurück zum Tresen, blätterte ein paar Scheine hin und warf uns einen letzten Blick zu.
»Also dann, schönen Abend noch. Man sieht sich.«
Mit ausgestreckten Armen stieß er die Tür auf, die zum Parkplatz führte, und verschwand.
»Gut gemacht, Lindsay.« Carolee formte die Hand zu einem gespannten Revolver und blies den imaginären Rauch von ihrer Fingerkuppe.
»Was für ein
Arsch
«, sagte ich. »Haben Sie seinen Gesichtsausdruck gesehen? Als könnte er es nicht fassen, dass wir ihm einen Korb gegeben haben. Für wen hält er sich eigentlich? Für George Clooney?«
»Tja«, meinte meine neue Freundin. »Wahrscheinlich haben seine Mama und der Spiegel ihm sein ganzes Leben lang eingeredet, dass er unwiderstehlich ist.«
Zum Schreien! Wir hielten uns die Bäuche vor Lachen und prosteten uns zu. Es war einfach toll mit Carolee. Ich hatte das Gefühl, sie schon seit Jahren zu kennen. Ihr hatte ich es zu verdanken, dass ich schon bald keinen Gedanken mehr an Dennis Agnew, an Mörder und Leichen und meinen bevorstehenden Gerichtstermin verschwenden musste.
Ich hob die Hand und bestellte noch eine Runde Pete's Wicked.
51
Der Sucher verstaute sein neues Messer unter dem Vordersitz seines Wagens, stieg aus und öffnete die Tür des Minimarkts. Sofort fühlte er sich erfrischt von der klimatisierten Luft, dem beruhigenden Anblick der hohen, mit Eiskristallen bedeckten Kühlschränke voller Limonade und Bier.
Mit besonderer Befriedigung registrierte er, dass in der Schlange an der Kasse eine zierliche, dunkelhaarige Frau in einem teuren Fila-Jogginganzug stand.
Ihr Name war Annemarie Sarducci, und der Sucher wusste, dass sie gerade von ihrer abendlichen Laufrunde kam. Sie würde ihre Flasche Import-Quellwasser kaufen und anschließend zu ihrem Haus mit Blick über die Bucht zurückgehen, um mit ihrer Familie zu Abend zu essen.
Der Sucher wusste schon eine ganze Menge über Annemarie: dass sie sich viel auf ihre Fünfzig-Kilo-Figur mit Konfektionsgröße XS einbildete, dass sie mit ihrem persönlichen Trainer ins Bett ging, dass ihr Sohn seinen Klassenkameraden Drogen verkaufte und dass sie wahnsinnig eifersüchtig auf ihre Schwester Juliette war, die eine Dauerrolle in einer in Los Angeles produzierten Vorabendserie hatte.
Er wusste ebenso, dass sie unter dem Pseudonym
Twisted Rose
ein Blog im Internet schrieb. Vermutlich war er seit Monaten ihr aufmerksamster Leser. Er hatte sich sogar mit seinem eigenen Pseudonym in ihr Gästebuch eingetragen.
»Ich mag die Art, wie du denkst. Der SUCHER.«
Der Sucher füllte einen Pappbecher mit starkem schwarzem Kaffee aus dem Automaten in der Ecke des Ladens und stellte sich dann hinter Mrs. Sarducci an. Dabei stieß er sie leicht an, streifte wie zufällig ihre Brust.
»Oh, Entschuldigung. Ach – hallo, Annemarie«, sagte er.
»Kein Problem. Hallo«, antwortete sie und fertigte ihn mit einem gelangweilten Blick und einem Nicken ab. Sie drückte dem blassen
Weitere Kostenlose Bücher