Die 4 Frau
konzentrierte, hörte ich, wie Mickey Yuki etwas erklärte.
»Die Richterin hat den Geschworenen die Krankenhausunterlagen und das Protokoll der Aussage der Schwester zur Verfügung gestellt. Und sie hat ihnen gesagt, dass sie sich wegen der Höhe des Schadensersatzes keine Gedanken machen müssten. Das sei
ihr
Job und müsse sie nicht weiter beschäftigen.«
Mickey strich sich mit der Hand über das Gesicht, eine Geste, die ich als Ausdruck der Frustration interpretierte. »Yuki, ganz im Ernst, Sie haben fantastische Arbeit geleistet. Ich kann einfach nicht glauben, dass die Geschworenen auf Mason Broyles' Show reingefallen sind«, sagte er. »Ich
kann
es einfach nicht glauben. Ich wüsste nicht, wie wir es hätten besser machen sollen.«
Und in dieser Sekunde läutete Yukis Handy.
»Die Geschworenen sind zurück«, sagte sie. Sie klappte ihr Handy zusammen und hielt es so fest umklammert, dass ihre Knöchel weiß wurden. »Sie sind zu einem Urteil gekommen.«
In meinem Kopf setzte etwas aus. Ich sah das Wort
Urteil
vor meinen Augen und versuchte es zu analysieren, versuchte zwischen den Buchstaben und Silben irgendetwas zu finden, was mir Hoffnung geben konnte.
Ich hatte die Situation nach bestem Wissen und Gewissen
beurteilt
. Würde man mich jetzt dafür
verurteilen?
Würde das Urteil der Geschworenen gerecht sein?
In den Augen der Menschen von San Francisco ganz bestimmt.
Mickey wies den Fahrer an umzukehren, was dieser sofort tat. Wenige Minuten später murmelte ich: »Kein Kommentar, kein Kommentar, bitte«, während ich mich hinter Yuki und Mickey durch die Menge kämpfte, die steile Treppe hinaufeilte und das Gerichtsgebäude betrat.
Wir nahmen unsere Plätze in Saal B ein, die Gegenpartei die ihren.
Ich hörte meinen Namen – der Klang war wie ein Echo aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt. Ich drehte mich um.
»Joe!«
»Ich bin eben erst gelandet. Ich komme direkt vom Flughafen.«
Wir streckten die Hände aus, und für einen kurzen Moment verschränkten sich unsere Finger über die Schultern der hinter mir Sitzenden hinweg. Dann musste ich wieder loslassen und mich umdrehen.
Die Kameraleute in den Seitengängen des Saals richteten ihre Objektive aus, und dann, nur eine Stunde nachdem wir den Saal zuletzt verlassen hatten, kam die Richterin aus ihrem Amtszimmer herein, und die Geschworenen nahmen auf der Bank Platz.
Der Gerichtsdiener forderte die Anwesenden auf, sich zu erheben, und die Verhandlung war wieder eröffnet.
105
Die Geschworenen ließen sich reichlich Zeit, ihre Röcke und Hosen glatt zu streichen, ihre Handtaschen abzustellen und es sich auf ihren Plätzen bequem zu machen. Aber endlich waren sie bereit. Mir fiel auf, dass nur zwei von ihnen mich überhaupt angeschaut hatten.
Ich hörte wie benommen zu, als die Richterin die Geschworenen fragte, ob sie zu einem Urteil gelangt seien. Der Sprecher, ein Afroamerikaner von Anfang fünfzig namens Arnold Benoit, strich sein Sportjackett glatt und ergriff das Wort.
»Jawohl, Euer Ehren.«
»Bitte übergeben Sie Ihren Urteilsspruch dem Gerichtsdiener.«
Auf der anderen Seite des Mittelgangs beschleunigte sich der Rhythmus von Sam Cabots Atemgeräuschen. Auch ich atmete schneller, und mein pochendes Herz versuchte hektisch Schritt zu halten, als die Richterin das Blatt entfaltete.
Sie überflog es und gab es mit unbewegter Miene dem Gerichtsdiener wieder, der es zum Sprecher der Geschworenen zurückbrachte.
»Ich ermahne das Publikum, sich jeglicher Reaktionen auf die Ausführungen des Sprechers zu enthalten«, sagte die Richterin. »Nun, Sir, verlesen Sie bitte das Urteil.«
Der Sprecher nahm seine Brille aus der Jackentasche, klappte sie auf und setzte sie auf die Nase. Dann begann er endlich zu lesen.
»Wir, die Geschworenen in dem oben genannten Prozess, befinden die Beklagte Lieutenant Lindsay Boxer für nicht schuldig in allen Punkten.«
»Ist das Ihr einstimmiges Urteil?«
»Ja.«
Ich war so benommen, dass ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt richtig gehört hatte. Und als ich die Worte des Sprechers im Geist noch einmal durchgegangen war, rechnete ich immer noch halb damit, dass die Richterin das Urteil aufheben würde.
Yuki nahm mein Handgelenk und drückte es fest, und erst als ich ihr strahlendes Lächeln sah, wurde mir endgültig klar, dass ich nicht unter Wahnvorstellungen litt. Die Geschworenen hatten tatsächlich zu meinen Gunsten entschieden.
Eine Stimme schrie: »
Nein, nein! Das können
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