Die 4 Frau
natürlich hing da noch der Zettel mit meinem einsamen John Doe.
Ich fuhr den Laptop hoch und loggte mich in die VICAP-Datenbank des FBI ein. Das
Violent Criminal Apprehension Program
ist eine landesweite Datensammlung im Internet, die nur einem Zweck dient: Sie soll den ermittelnden Beamten helfen, verstreute Daten und Informationen zu Serienmorden im ganzen Land miteinander zu verknüpfen. Die Website hatte eine spitzenmäßige Suchfunktion, und ständig fütterten Cops im ganzen Land das Programm mit neuen Daten.
Jetzt tippte ich die Stichwörter ein, die vielleicht die Räder in Gang setzen und die Maschine dazu bringen würden, ein paar Antworten auszuspucken.
Ich versuchte alles: perimortale Auspeitschung, im Bett ermordete Paare – und natürlich durchschnittene Kehlen, was einen ganzen Wust von Treffern brachte. Viel zu viele.
Stunden vergingen, die Buchstaben begannen vor meinen Augen zu verschwimmen, und schließlich schaltete ich den Computer auf Stand-by und ließ mich auf eines der Betten meiner Nichten fallen, um für ein paar Minuten die Augen zuzumachen.
Als ich aufwachte, war es draußen stockdunkel. Ich hatte den Eindruck, dass mich irgendetwas geweckt hatte – irgendein kleines Geräusch, das nicht hierher gehörte. Die blinkende Uhr am Videorekorder der Mädchen zeigte 2:17 an, und ich wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass ich beobachtet wurde.
Ich blinzelte in der Dunkelheit und sah einen verschwommenen roten Fleck durch mein Gesichtsfeld zucken. Es war ein Nachbild dieses roten Porsches, und es rief Bruchstücke meiner aufwühlenden Begegnungen mit Agnew wach. Den Wortwechsel im Cormorant, die Szene an der Tankstelle. Der Beinahe-Zusammenstoß auf der Straße.
Ich konnte nicht aufhören, an Agnew zu denken. Es war die einzige Erklärung für dieses Gefühl, dass mich jemand beobachtete.
Ich wollte gerade aufstehen und mich für den Rest der Nacht in mein Zimmer zurückziehen, als ich eine Serie trockener Explosionen hörte, und dann das Splittern von Glas, das die Stille der Nacht zerriss.
Die Scherben der Fensterscheibe regneten rings um mich herum zu Boden.
Meine Waffe! Verdammt, wo war meine Waffe!
109
Martha reagierte schneller als ich. Blitzartig sprang sie aus dem Bett und verkroch sich darunter. Gleich darauf rollte auch ich mich auf den Boden und versuchte dabei krampfhaft, meinem geschockten Gehirn zu entlocken, wo ich meine Waffe gelassen hatte.
Dann fiel es mir ein.
Sie war in meiner Handtasche im Wohnzimmer, und da war auch das nächste Telefon. Wie hatte ich mich nur in eine Situation bringen können, in der ich so ausgeliefert war? Würde ich hier sterben, gefangen in diesem Zimmer? Mein Herz hämmerte so stark, dass es wehtat.
Ich hob den Kopf nur ein paar Zentimeter vom Boden, und im schwachen Schein der Videorekorderuhr sah ich mich verstohlen um.
Ich ließ den Blick über jede Fläche und jeden einzelnen Gegenstand gleiten, auf der verzweifelten Suche nach irgendetwas, womit ich mich verteidigen konnte.
Überall lagen große Plüschtiere herum, dazu mindestens ein Dutzend Puppen, aber weit und breit war kein Baseballoder Eishockeyschläger zu sehen – nichts, was ich als Waffe hätte verwenden können. Nicht einmal den Fernseher konnte ich als Wurfgeschoss benutzen, denn er war an der Wand festgeschraubt.
Ich robbte auf dem Bauch über den Hartholzboden zur Tür, streckte den Arm aus und schob den Riegel vor.
In dieser Sekunde knatterte eine zweite Salve los – Schüsse aus einer automatischen Waffe, die an die Hausfront prasselten und durch die Fenster des Wohnzimmers und des Gästeschlafzimmers am Ende des Flurs einschlugen. Da begriff ich endlich, was die wahre Absicht hinter diesem Feuerüberfall war.
Ich
hätte in diesem Gästeschlafzimmer im Bett liegen können – liegen sollen.
Zentimeter um Zentimeter schob ich mich auf dem Bauch voran, packte das Bein eines Holzstuhls, kippte den Stuhl nach hinten und manövrierte die Lehne unter den Türknauf. Dann griff ich nach dem zweiten Stuhl und ließ ihn mit Schwung auf die Kommode niedersausen.
Das abgebrochene Stuhlbein in der Hand, drückte ich mich mit dem Rücken an die Wand.
Es war lächerlich. Ein Hund, der sich unters Bett verkrochen hatte, und ein Stuhlbein – das war alles, womit ich mich zur Wehr setzen konnte.
Wenn derjenige, der mir nach dem Leben trachtete, jetzt durch diese Tür hereinkäme, hätte ich keine Chance.
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Ich lauschte auf das Geräusch von Schritten auf den
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