Die 4-Stunden-Woche – Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben
sollen wir tun?« Oder: »Eine Flasche aus der Lieferung dieses Kunden ist im Zoll hängengeblieben. Können wir an eine Adresse in den USA noch einmal versenden?« Oder: »Der Kunde braucht das Produkt für einen Wettkampf, der in zwei Tagen stattfindet. Können wir es mit Overnight-Express versenden und, wenn ja, was sollen wir dafür berechnen?«
Es war endlos. Hunderte und Aberhunderte von unterschiedlichen Fällen machten es quasi unmöglich, ein Handbuch zu verfassen, das alle denkbaren Fragen beantwortete, und ich hatte auch gar nicht die Zeit oder die nötige Erfahrung dazu. Glücklicherweise aber gab es jemanden mit der nötigen Erfahrung: die Kundenbetreuer selbst. Ich schickte ihnen eine E-Mail, die die täglichen 200 Mails augenblicklich auf weniger als 20 E-Mails pro Woche reduzierte:
Sehr geehrte Kundenbetreuer,
ich möchte eine neue Vorgehensweise in unserer Zusammenarbeit etablieren, die alle bisherigen ablösen wird.
Stellen Sie den Kunden zufrieden. Wenn es sich um ein Problem handelt, dessen Lösung weniger als 100 Dollar kostet, urteilen Sie selbst und lösen Sie es. Ich erteile Ihnen hiermit die offizielle schriftliche Ermächtigung und bitte Sie, mich in diesen Fällen nicht mehr zu kontaktieren. Ich bin nicht mehr Ihr Kunde – meine Kunden sind Ihre Kunden. Fragen Sie mich nicht um Erlaubnis. Tun Sie, was Sie für richtig halten, und wir werden das Feintuning dort vornehmen, wo es nötig wird.
Vielen Dank.
Tim
Bei näherer Betrachtung stellte sich dann heraus, dass mehr als 90 Prozent der Fragen, die vorher das Senden einer E-Mail veranlasst hatten, für weniger als 20 Dollar gelöst werden konnten. Ich schaute mir die finanziellen Auswirkungen der unabhängigen Entscheidungen meiner Kundenbetreuer zu Beginn wöchentlich an, später nur noch monatlich und seit einiger Zeit nur noch vierteljährlich.
Es ist erstaunlich, dass sich der IQ eines Menschen zu verdoppeln scheint, sobald man ihm Verantwortung überträgt und ihm das Gefühl gibt, dass man ihm vertraut. Im ersten Monat entstanden etwa 200 Dollar mehr Kosten, als es mit meinem vollen Einsatz der Fall gewesen wäre. Auf der anderen Seite sparte ich mehr als 100 Stunden Arbeitszeit pro Monat, die Kunden erhielten einen schnelleren Service, die Rücksendungen gingen unter drei Prozent zurück (der Durchschnitt liegt in der Branche bei zehn bis 15 Prozent), die Kundenbetreuer konnten schneller reagieren, und all das zusammen führte zu rapidem Wachstum, höheren Gewinnmargen und glücklichen Gesichtern bei allen Beteiligten.
Die Leute sind schlauer, als Sie denken. Geben Sie ihnen eine Chance, sich zu beweisen.
Wenn Sie Angestellter sind und Ihre Arbeit dadurch behindert wird, dass Sie alle Entscheidungen bis ins Detail abklären müssen, dann vereinbaren Sie einen Gesprächstermin mit Ihrem Chef und erklären Sie ihm, dass Sie produktiver sein werden und ihn weniger oft bei seiner Arbeit unterbrechen möchten:
Ich hasse es, Sie dauernd zu unterbrechen und von den wichtigen Dingen abzuhalten, die Sie auf dem Schreibtisch haben. Ich hätte ein paar Ideen, wie ich produktiver arbeiten könnte. Haben Sie eine Sekunde Zeit?
Legen Sie sich vor dem Gespräch eine Anzahl von neuen »Regeln« zurecht, die es Ihnen erlauben werden, autonomer zu arbeiten. Ihr Chef kann die Ergebnisse Ihrer Entscheidungen am Anfang täglich oder wöchentlich überprüfen. Schlagen Sie ihm eine einwöchige Testphase vor und schließen Sie mit: »Ich würde das gerne einmal versuchen. Denken Sie, dass wir einen einwöchigen Probelauf machen können?« Oder nehmen Sie meinen Lieblingssatz: »Hört sich das vernünftig an?« Es fällt den Menschen schwer, etwas als unvernünftig zu bezeichnen.
Machen Sie sich klar, dass Ihr Chef ein Vorgesetzter ist, kein Sklaventreiber. Lassen Sie andere spüren, dass Sie den Status quo gerne in Frage stellen, dann werden die meisten Ihrer Vorgesetzten, Kollegen oder Mitarbeiter lernen, Ihnen nicht in die Quere zu kommen, zumal dann, wenn es im Interesse einer höheren Produktivität ist. Wenn Sie selbst Unternehmer sind und dazu neigen, alles alleine entscheiden zu wollen, dann machen Sie sich klar: Die Tatsache, dass Sie manche Dinge besser erledigen können als jeder andere auf der Welt, rechtfertigt nicht automatisch, dass Sie es auch wirklich tun sollten – schon gar nicht, wenn es sich um Kleinkram handelt. Versetzen Sie andere dazu in die Lage, selbstständig zu handeln, ohne Sie unterbrechen zu müssen.
Unterm
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