Die 4-Stunden-Woche – Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben
deshalb weder für uns noch für Sie einen sinnvollen Zweck. Darum bitten wir Sie, uns keine weiteren Mails mehr zu schicken.
Wir möchten damit keinesfalls Ihre Arbeit herabwürdigen, hoffen aber auf Ihr Verständnis.
Mit Dank
Honey K. Balani
Das ist die beste Absage in der Geschichte des Journalismus. Sie ist über die Maßen höflich, aber sie vermittelt auch einen unmissverständlichen Unterton der Entrüstung. Honey scheint geradezu erbost darüber zu sein, dass Colorado die wertvolle Zeit von Herrn Jacobs vergeudet.
***
Ich beschließe, den nächsten logischen Schritt zu tun und zu testen, ob meine Fernassistentin mich auch in einem ganz anderen Beziehungsgeflecht vertreten kann: meiner Ehe. Diese Streitereien mit meiner Frau rauben mir die Nerven – schon deshalb, weil Julie viel besser diskutieren kann als ich. Vielleicht wird sich Asha besser schlagen:
Hallo Asha,
meine Frau ist wütend auf mich, weil ich vergessen habe, am Geldautomaten Geld abzuheben. … Bitte sagen Sie ihr, dass ich sie liebe, aber erinnern Sie sie sanft daran, dass auch sie manchmal etwas vergisst – sie hat im letzten Monat zweimal ihre Brieftasche verloren. Und sie hat vergessen, einen Nagelknipser für Jasper zu kaufen.
A.J.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie es mich beglückte, diese Nachricht abzuschicken. Es ist vermutlich unmöglich, einen besseren Weg zu finden, seiner Frau den eigenen Ärger mitzuteilen, ohne die angestauten Aggressionen direkt an ihr auszulassen, als ihr eine E-Mail von einem Subkontinent am anderen Ende der Welt schicken zu lassen. Am nächsten Morgen erhalte ich cc die Mail, die Asha an Julie geschickt hat.
Julie,
ich verstehe Deine Wut darüber, dass ich vergessen habe, am Geldautomaten Geld abzuholen. Ich war vergesslich und es tut mir leid.
Aber ich denke, das ändert nichts an der Tatsache, dass ich Dich sehr liebe …
In Liebe
A.J.
PS: Diese Mail schickt Asha im Auftrag von Herrn Jacobs.
Und als ob das noch nicht genug wäre, schickt sie Julie auch noch eine E-Card. Ich klicke darauf: Zwei Teddybären umarmen sich mit dem Worten: »Immer wenn Du eine Umarmung brauchst, bin ich für Dich da … Es tut mir leid.«
Verdammt! Meine Assistentinnen in Indien sind einfach zu verflixt nett! Die Entschuldigung ist drin, aber meine kleinen Sticheleien hat sie weggelassen. Sie versucht, mich vor mir selbst zu schützen. Sie verleiht meinem Es das nötige Über-Ich. Ich fühle mich kastriert.
Andererseits scheint Julie sehr angetan zu sein: »Das ist nett, Schatzi. Ich verzeihe dir.«
***
Trotz meiner neuen Hilfstruppe bin ich nach drei Wochen immer noch gestresst. Vielleicht ist der Chicken-Dance-Elmo schuld daran. Mein Sohn liebt ihn wahnsinnig, und sein Gequake treibt auch mich langsam aber sicher in den Wahnsinn. Warum auch immer – ich denke, es ist an der Zeit, eine weitere Grenze zu überschreiten: Ich muss mein gestresstes Innenleben outsourcen.
Als Erstes versuche ich, meine Therapie zu delegieren. Mein Plan sieht so aus, dass ich Asha eine Liste meiner Neurosen und ein oder zwei Anekdoten aus meiner Kindheit gebe, sie 50 Minuten lang mit meinem Psychiater reden und mir dann von ihr dessen Rat übermitteln lasse. Clever, oder? Mein Therapeut weigerte sich. Berufsethos oder so etwas. Schön, dann eben nicht. Stattdessen lasse ich mir von Asha ein gründlich recherchiertes Dossier über Stressabbau schicken. Es hatte eine angenehm indische Note, mit einigen Yoga-Übungen und Visualisierungen.
Es gibt daran nichts auszusetzen, aber es erscheint mir irgendwie noch nicht genug zu sein. Schließlich kommt mir die rettende Idee: Ich muss meine Sorgen outsourcen. In den letzten Wochen habe ich mir die Nägel abgekaut, weil ein geschäftlicher Abschluss sich zu lange hinauszögerte. Ich frage Honey, ob sie Interesse hat, sich an meiner Stelle die Nägel abzukauen. Nur ein paar Minuten pro Tag. Sie hält das für eine großartige Idee. »Ich werde mir über diese Sache jeden Tag Sorgen machen«, schreibt sie mir. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
Meine neurotischen Ängste an jemand anderen zu delegieren ist eines der erfolgreichsten Experimente dieses Monats. Jedes Mal, wenn ich anfange, mir den Kopf zu zerbrechen, fällt mir wieder ein, dass ja Honey bereits an der Sache dran ist, und ich entspannte mich wieder. Das ist kein Witz. Und schon allein das ist es wert.
Auf einen Blick: Wie Ihr Leben sein wird
Die Zukunft ist da. Sie ist bloß noch nicht sehr weit verbreitet.
William Gibson,
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