Die 5 Plage
Richtung Civic Center hinaufeilte. Seit Beginn des Prozesses vor vier Wochen hatte sie keinen einzigen Tag versäumt.
Jetzt war die Zeit der aufreibenden Zeugenaussagen und hitzigen Kreuzverhöre vorbei.
Heute würden O’Mara und Kramer ihre Abschlussplädoyers halten - ganz gleich, ob Cindy da war oder nicht, wenn die Türen des Gerichtsgebäudes geöffnet wurden.
O Gott.
Wenn ein anderer Reporter sich nun ihren Platz schnappte - nicht auszudenken.
Cindy sprintete bei Rot über die McAllister und auf das Gerichtsgebäude zu, einen hellen Steinbau mit abgeschrägter Ecke, dessen Eingang diagonal zur Kreuzung McAllister und Polk lag.
Sie blickte auf und sah zu ihrer Erleichterung, dass die Türen des Gerichtsgebäudes noch verschlossen waren.
Und sie sah Yuki oben auf den Stufen am Rand der Menschenmenge stehen. Sie hielt den Griff ihrer Aktentasche mit beiden Händen umklammert und starrte ins Leere, schien ihre Umgebung gar nicht wahrzunehmen.
Cindy machte sich Sorgen um Yuki. Sie hatte abgenommen und wirkte zerbrechlich. Und dann war da die schlichte Tatsache, dass sie seit dem Tod ihrer Mutter nicht mehr zur Arbeit gegangen war.
Der Prozess ging ihr an die Substanz, das war nicht mehr zu übersehen.
Cindy schlängelte sich durch die Menschenmenge, die auf der Vortreppe des Gerichtsgebäudes stand, und rief Yukis Namen, während sie die Stufen erklomm.
Endlich sah Yuki sie und fragte: »Was ist passiert? Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!«
»Betriebsstörung bei der U-Bahn«, erklärte Cindy. »Eine halbe Stunde hab ich zwischen zwei Bahnhöfen festgesteckt. Ich wär fast verrückt geworden.«
Die Security-Leute öffneten die schweren Stahltüren, und Cindy und Yuki wurden mit der aufgeregt schwatzenden Menge in das Gerichtsgebäude geschwemmt.
In einem überfüllten Aufzug fuhren sie hinauf in den vierten Stock, wo sie auf dem Weg zum Verhandlungssaal getrennt wurden. Cindy steuerte direkt die letzte Sitzreihe an der Rückwand des Saals an, die für die Presse reserviert war.
Sie ließ den Blick durch den Saal schweifen, während die Reihen sich füllten, und fuhr dann ihren Laptop hoch.
Sie begann zu tippen.
Maureen O’Mara trug ein tomatenrotes Kostüm von Oscar de la Renta , schrieb Cindy. Das ist ihr Kampfdress, ihre Kriegsbemalung - damit will sie bei ihrem Schlussplädoyer Eindruck bei den Geschworenen hinterlassen.
103
Richter Carter Bevins schüttelte seine Armbanduhr unter dem Ärmel hervor und fixierte dann Maureen O’Mara durch seine Brillengläser. Er fragte sie, ob sie bereit sei fortzufahren.
»Ja, Euer Ehren«, erwiderte O’Mara. Sie erhob sich und nahm ihren Platz an dem kleinen Pult aus Eichenholz ein.
Sie legte sich ihre Notizen zurecht, obwohl sie wusste, dass sie sie nicht brauchen würde. Gestern Abend war sie ihr Plädoyer zusammen mit ihren Partnern noch einmal durchgegangen, hatte sich die wichtigen Punkte eingeprägt, bis sie ihre Rede in Ton und Wortlaut in- und auswendig beherrschte. Für diesen Fall hatte sie alles gegeben, und ihre gesamte Zukunft hing vom Ausgang dieses Prozesses ab.
Bis jetzt hatte sie sich glänzend geschlagen, und das wusste sie auch.
Jetzt musste sie nur noch den Sack zumachen.
Sie atmete tief durch, lächelte die Geschworenen an und begann.
»Meine Damen und Herren, vor drei Jahren wurde das San Francisco Municipal Hospital privatisiert; es wurde an eine gewinnorientierte Kapitalgesellschaft verkauft. Seitdem«, sagte O’Mara, »hat sich die Zahl der auf Medikationsfehler zurückzuführenden Todesfälle im Krankenhaus verdreifacht .
Warum? Ich behaupte, dass diese Fehler durch Inkompetenz und Arbeitsüberlastung entstanden sind.
In den letzten drei Jahren sind fast drei Viertel der Mitarbeiter durch weniger erfahrenes Personal ersetzt worden, das für weniger Geld länger arbeiten muss.
Das Krankenhaus arbeitet profitabel«, fuhr O’Mara fort. »Doch es tut dies zu einem inakzeptabel hohen Preis.
Sie haben in den Zeugenaussagen vom Schicksal der zwanzig Menschen gehört, die einen qualvollen, sinnlosen Tod erleiden mussten, nur weil es sie ins Municipal Hospital verschlagen hatte.
Das ist widerwärtig und empörend. Und schuld daran ist allein die Leitung des Municipal Hospital. Denn diesen Leuten sind ihre Patienten völlig egal. Für sie zählt nur der Gewinn.«
O’Mara schritt vor der Geschworenenbank auf und ab, um dann die Hände auf die Balustrade zu legen und Blickkontakt mit den Geschworenen zu suchen, sie
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