Die 500 (German Edition)
kompetenter Finanzbetrüger wie Ihr Vater plötzlich für Einbruch interessieren? Warum sollte er in ein leeres Haus einbrechen?«
Ich richtete mich in meinem Stuhl auf. Das hatte ich mich selbst mein Leben lang gefragt.
»Ich bin nicht der Einzige, der ein paar Morde auf seinem Konto hat«, sagte Henry.
»Worüber reden Sie?«
»Perry, James Perry«, sagte Henry. Das war der Chef meiner Mutter gewesen. »Er war ein Bekannter von mir. Ein guter politischer Strippenzieher, Parteivorsitzender in Virginia.«
Henry beugte sich vor und schaute mir in die Augen. »Ihr Vater hat ihn umgebracht.«
»Das ist unmöglich«, sagte ich. Mein Vater hatte einen Grundsatz: keine Gewalt. Das trichterte er jedem ein, mit dem er zusammenarbeitete. Niemand wird verletzt.
»Das war kein Einbruch, Mike. Ihr Vater war in dem Haus, um seine Spuren zu verwischen. Jetzt sind sie so ein schlauer Bursche, Mike, und haben sich das in all den Jahren nicht selbst zusammenreimen können?«
»Warum hätte er das denn machen sollen?«, fragte ich höhnisch.
»Wahrscheinlich, um seine Familie zu schützen«, sagte Henry. Mein Vater hatte den Einbruch auf seine kryptische Art genauso erklärt.
»Immerhin hat Perry Ihre Mutter gevögelt«, sagte Henry. »Wer könnte es ihm da verdenken?«
Ich sprang auf und wollte mich über den Tisch auf Henry stürzen. Marcus packte mich am Gürtel, ich trat nach seinem Gesicht und erwischte ihn mit voller Wucht an der Stirn. Ich drehte mich zu ihm um und sah aus dem Augenwinkel, wie Henrys Hand nach vorn schoss. Seine Faust fühlte sich an wie eine Stahlstange, als sie auf meine Gurgel traf.
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte darauf gesetzt, dass er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen würde. Sein Schlag nahm mir augenblicklich die Luft. Marcus zerrte mich wieder auf den Stuhl, riss meine Arme hinter der Stuhllehne zusammen und legte mir wieder die Handschellen an.
Erst spürte ich keine großen Schmerzen im Hals, aber irgendetwas war gerissen. Als hinge der Knorpel lose an meiner Luftröhre. Ich spürte, dass sie anschwoll.
»Sie wissen genauso gut wie ich, dass Mord nicht verjährt«, sagte Henry, der jetzt vor mir stand.
»Von mir erfahren Sie kein gottverdammtes Wort«, erwiderte ich. Ein leichtes Keuchen schlich sich in meine Stimme. Der langsam anschwellende Hals war das Schlimmste. Als würde mir Henry, ohne einen Finger zu rühren, immer mehr die Luft abdrücken.
»Die Luftröhre macht zu, Mike.«
»Repression«, krächzte ich und lächelte. »Es funktioniert nicht, Henry. Bumerang. Er kommt zurück und erwischt Sie am Arsch. Ich kriege Sie.«
Henry schaute zu Marcus und fing an zu lachen. »Alles, was Sie wissen, Mike, haben wir Ihnen beigebracht. Aber eine Lektion haben wir ausgelassen. Es stimmt, Repression oder Erpressung, Nötigung, nennen Sie es, wie Sie wollen, hat keinen guten Ruf.«
Ich hatte das Gefühl, als wäre meine Luftröhre auf die Größe eines Nadelöhrs geschrumpft. Ein Gefühl der Leichtigkeit erfüllte mein Gehirn.
»Das liegt aber nur daran, dass so wenige Menschen über die dafür nötige Entschlossenheit verfügen«, sagte er. »Man muss den Willen haben, die Sache bis zum Ende durchzuziehen, bis zu Gewaltanwendung und Mord.«
Der Raum schien seitlich wegzurutschen. Jede Sekunde würde ich umkippen.
»Ihr Vater war so ein Mensch, Mike. Sie anscheinend nicht.«
Henry kippte die Eiswürfel aus meinem Glas in ein Taschen tuch, bog meinen Kopf nach hinten und drückte mir das kalte Bündel an die Kehle. Ich war halb erstickt, am Rande der Be wusstlosigkeit. Nach einem Augenblick, der mir wie eine Ewig keit vorkam, sog ich schließlich wieder Luft in meine Lungen.
»Schaff ihn nach unten«, sagte Henry. »Und sag Maggie Bescheid, dass Sie meinen Fünfuhrtermin reinschicken soll.«
Sie drückten mir einen Eisbeutel für die Schwellung in die Hand und sperrten mich in ein leeres Büro. Ich legte mich auf den Boden, versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen und hoffte, dass der Schmerz in meinem Hals nachlassen würde. Tatsächlich konnte ich nach etwa einer Stunde in kurzen Zügen atmen, ohne dass es zu sehr schmerzte.
Vor der Tür stand ein Wachposten, und sicher beobachtete Gerald, was ihm die Kamera an der Decke in seinen Bunker übertrug.
Während ich mir das Büro genauer anschaute, fand ich heraus, dass die Wände ganz leicht nachgaben, wenn ich mit der Hand dagegendrückte. Die Villa der Davies Group bestand hauptsächlich aus
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