Die 500 (German Edition)
glaube, am Ende hat Henry selbst gesagt, dass es reicht.«
Er stöhnte auf. »Oh, Scheiße …«
»Was ist?«
»Hier hinten, da und da.« Er zeigte auf ein paar Stellen oberhalb seines Hinterns und weiter unten zwischen den Beinen. »Das bringt mich um. Ruf Cartwright an, dass ich seinen Tierarzt nicht mehr brauche. Setz mich einfach vor der Notaufnahme ab und verschwinde.«
Sein Gesicht war weiß. Er zitterte am ganzen Körper.
»Wir sind fast da, halt durch.«
»Ich bin einfach losgerannt, raus aus der Halle«, sagte er. Seine Augen waren jetzt geschlossen. »Hab mir gedacht, ich bin das einzige Druckmittel, das er gegen dich in der Hand hat. Und wenn ich weg bin, gibt’s auch keinen Deal mehr, dann kannst du ihn erledigen. Ich hab’s einfach probiert. Wenn ich es schaffe, gut, wenn nicht, auch gut, dann bringen sie mich eben um. Kommt auf dasselbe raus.«
»Nicht für mich. Wie hast du es geschafft?«
Er griff in seine Hosentasche und holte einen Zahn raus, einen blutverschmierten Eckzahn. Ich schaute auf seinen Mund. Es war keiner von seinen.
»Ein paar Tricks hab ich schon noch auf Lager«, sagte er. »Das Gute ist, dass er eine Höllenangst vor dieser Akte hat. Schätze, es gibt jede Menge Leute, die mit ihm noch eine Rechnung offen haben, nur dass keiner was gegen ihn in der Hand hat.«
»Ich auch nicht, Dad. Die Akte ist verbrannt. Ich hab’s vermasselt. Ich hab nichts.«
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Spielt keine Rolle, Mike. Henry glaubt, dass du sie hast. Warum hätte er mich sonst so in die Mangel genommen?«
Ich hielt vor der Notaufnahme und rief die zwei Schwestern, die vor dem Eingang standen. Als sie sich umdrehten und meinen Vater sahen, holten sie sofort eine Trage und rollten ihn hinein. Ich lief neben ihm her.
»Das hättest du nicht tun sollen, Dad.« Er hatte sich Henry ausgeliefert, um mich zu schützen.
»Fiddle Game«, sagte er und lächelte: ein Tauschgeschäft, etwas Wertloses gegen etwas Wertvolles.
»Blödsinn, Dad. Du hättest dich nicht ausliefern dürfen. Das ist einfach zu viel.«
»Für die Familie ist nichts zu viel.«
Er hielt meine Hand umklammert. Wahrscheinlich hatte ich es schon vorher gewusst, aber seine Worte und die klingelnden Telefone in der Notaufnahme riefen die Erinnerung zurück. Er hatte sich für mich geopfert, so wie er sich für meine Mutter geopfert hatte.
Ich erinnerte mich genau an die Nacht, als man ihn wegen des Einbruchs in das Haus in den Palisades verhaftet hatte. Jede Einzelheit hatte ich immer wieder vor meinem inneren Auge abgespult und versucht, mir einen Reim darauf zu machen. Und ich wusste, dass es diesen Telefonanruf, der meinen Vater angeblich alarmiert hat, nie gegeben hatte. Ich weiß sogar noch, dass in der Verhandlung zur Sprache kam, dass es in dem Haus gar kein Telefon gegeben hatte. Meine Mutter war schon mindestens eine Stunde wieder zu Hause gewesen, bevor er selbst das Haus verließ. Um zu einem Baseballspiel zu fahren, das hatte er mir selbst erzählt.
Nein. Perry war schon tot, als er dort eintraf. Meine Mutter war eine Frau, die sich zu wehren wusste. Wenn Perry zudringlich geworden war, dann war er mit dem Kopf auf die Herdkante gefallen, weil sie ihn zurückgestoßen hatte. Sie hatte ihn umgebracht. Mein Vater hatte deshalb während des langen Prozesses kein Wort gesagt, hatte deshalb meine Familie verlassen und sechzehn Jahre in der Knasthölle ausgehal ten, weil er meine Mutter schützen wollte, genau so, wie er sich für mich an Henry Davies ausgeliefert hatte.
Als Kind ist es mir nie gelungen etwas vor meinem Vater zu verheimlichen – versuchen Sie mal, einen Trickbetrüger hereinzulegen. Und als er jetzt in der Notaufnahme von seiner Trage aus zu mir hochschaute, leuchtete diese Erkenntnis in meinem Gesicht auf, und ich wusste sofort, dass mein Vater Bescheid wusste.
»Danke, Dad. Ich liebe dich.«
»Ich dich auch«, sagte er. »Aber jetzt ist Schluss mit dem Schmalz. In einer Stunde marschiere ich hier wieder raus, so gut wie neu.«
Seine Hand war kalt. Ein Arzt hob den Hörer eines Telefons ab und ordnete ein Notfallirgendwas an und acht Einheiten Null positiv.
»Ich habe den Beweis nicht. Es tut mir leid, Dad, ich habe dich im Stich gelassen.«
»Das spielt keine Rolle, Mike. Wir haben ihm Angst eingejagt. Katze im Sack. Du musst mit deinem Gegner spielen, nicht mit dem, was du in der Hand hast.«
Wahrscheinlich sagte ich noch ein paar schmalzige Sachen. Er munterte mich auf. Dann
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