Die 500 (German Edition)
um den Alarm auszulösen, aber es leuchtete kein Scheinwerfer auf, und es ging auch keine Sirene los. Schlechtes Zeichen. Das hieß wahrscheinlich, dass in irgendeinem zentralen Kontrollraum stiller Alarm ausgelöst wurde. Ich ging fünf, sechs Meter in die andere Richtung, hampelte ein paar Sekunden vor einem anderen Bewegungsmelder herum und zog mich dann in mein Versteck zurück.
Ein paar Minuten später tauchte ein griesgrämiger, o-beiniger Bursche auf, irgendein Faktotum, und leuchtete mit einer Taschenlampe herum. Der Lichtstrahl strich zwei- oder dreimal über meinen Baum. Mein Versteck war zwar gut, allerdings war ich doch ziemlich beunruhigt angesichts des Schicksals, das mich erwartete, falls Henry Davies entdeckte, dass ich in sein Allerheiligstes eingedrungen war.
Der Mann brummelte irgendetwas über Scheißrehe und verschwand wieder.
Als er wieder im Haus war, machte ich noch einmal den Hampelmann vor dem Sensor und kroch dann wieder in mein Versteck. Nach zwei weiteren Durchläufen leuchtete der Mann nicht mal mehr in meine Richtung. Jetzt konnte ich mich gefahrlos an das Haus heranpirschen.
Ich lief um die Hausecke, robbte dann auf dem Bauch durch eine Bodenrinne und gelangte unter die Holzterrasse, auf der die beiden Männer miteinander plauderten. Ich kroch weiter, bis ich die Stimmen meiner beiden Chefs verstehen konnte.
Ein Felsbrocken drückte mir schmerzhaft ins Kreuz, während ich unter den Holzbohlen lag und durch die Ritzen die hin und her gehenden Schuhsohlen beobachtete. Bei jedem Atemzug glaubte ich, sie müssten mich hören. Als ich nach einer halben Stunde einen Krampf im rechten Bein bekam, hätte ich um ein Haar laut aufgestöhnt. Ihre Unterhaltung drehte sich erst um Bürointerna und einige Fälle, die mich nicht interessierten, bevor sie schließlich auf gewichtigere Angelegenheiten zu sprechen kamen.
»Hat Ford deine Botschaft heute Morgen kapiert?«, fragte Henry.
»Glaube schon«, sagte Marcus. »Was die Sache mit Radomir angeht, hat er nicht hinter uns hergeschnüffelt. Ich glaube, er hat den Fall abgehakt. Das Mädchen hat ihn angesprochen, nicht umgekehrt. Jedenfalls haben wir ihm heute eine Scheißangst eingejagt. Der Junge ist in Ordnung.«
»Ist Subjekt 23 bei seiner Suche nach den Beweismitteln weitergekommen?«, fragte Henry.
»Wissen wir noch nicht«, sagte Marcus. »Auf den angezapften Leitungen war Funkstille, gibt sich plötzlich ziemlich zugeknöpft.«
»Bist du nah genug an ihm dran, um sicher sagen zu können, ob er was Belastendes weitergegeben hat?«
»Ja, bin ich. Wir glauben nicht.«
»Dann können wir ihn also ganz gefahrlos verschwinden lassen?«
»Wahrscheinlich«, sagte Marcus. »Mit achtzigprozentiger Sicherheit, würde ich sagen.«
»Was meinst du?«
»Er ist kurz davor, sich das Kuvert zu greifen. So gern wir auch hätten, dass er uns hinführt, so groß ist die Gefahr, dass er uns auffliegen lässt, wenn er es endlich hat. Am schlauesten wäre, wir kümmern uns eher früher als später um ihn.«
»Erwischen wir ihn allein? Seine Frau ist schon seit Jahren tot, aber hat er irgendwelche Freundinnen? Taucht die Tochter manchmal auf?«
»Er schläft mit niemandem. Gewohnheitstier, verbringt die meisten Wochenenden auf dem Land, keine Sicherheitsvorkehrungen. Die Tochter ist im Internat, fast keine Besuche während des Schuljahrs.«
»Irgendwelche anderen Unwägbarkeiten?«
»Eine. Die kleine Dragov i ´ c hört nicht auf rumzuschnüffeln. Ich hab letzte Woche mit ihr gesprochen, damit sie sich zurückhält.«
»Wie viel weiß sie?«
»Das, was mit ihrem Vater zu tun hat: dass wir die Auslieferung verhindern und dafür sorgen sollen, dass er nicht mit der Justiz ins Gehege kommt.«
»Subjekt 23?«, fragte Henry
»Sie weiß, dass es da eine zentrale Figur gibt, aber sie hat nichts darüber rausgelassen, dass sie wüsste, um wen es sich handelt.«
»Was will sie?«
»Anscheinend helfen«, sagte Marcus. »Ihren Vater vor der Auslieferung bewahren. Sie glaubt, dass ihre Möse die ultimative Waffe ist und sie damit alles erreichen kann. So hat sie wahrscheinlich auch erfahren, was sie über den Fall weiß. Ich schalte sie aus. Basta.«
»Wenn sie so störrisch ist wie ihr Vater, könnte sie uns trotzdem noch Ärger machen.«
»23 ist schon nervös genug. Wenn sie sich mit ihrer plumpen Verführungsnummer an ihn ranmacht, dann wird sie sich wahrscheinlich ganz schön wehtun dabei.«
Henry sagte nichts.
»Glaubst du, dass sie uns
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