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Die 500 (German Edition)

Die 500 (German Edition)

Titel: Die 500 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Quirk
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gegessen, Annie schaute mich mit ihrem Ich-bin-todmüde-Blick an, und ich saß wie auf Kohlen, weil ich unbedingt wissen wollte, was Marcus im Südosten der Stadt zu suchen hatte – einer Gegend, in der man einen Mann wie Marcus am allerwenigsten vermuten würde. Das einzige Problem war, dass mein Haus gleich um die Ecke vom Restaurant lag, es also ziemlich kniffelig werden würde, Annie loszuwerden.
    Ich schaute auf das Display meines Telefons. »Verdammt. Ich hab Eric Walker versprochen, dass ich heute Abend noch bei ihm vorbeischaue. Kleine Pokerrunde.«
    »Wir könnten uns zusammenkuscheln und noch einen Film anschauen«, sagte Annie. Da wusste ich, dass sie spätestens nach dem Vorspann einschlafen würde.
    »Würde ich ja gern. Aber das ist ein Arbeitsbesuch. Sind ein paar neue Senatoren da, wär nicht schlecht, wenn ich die kennenlerne. Warum kommst du nicht mit? Könnte auch für dich nützlich sein. Ein paar haben mit dem Heimatschutzministerium zu tun …«
    Annie hatte ein paar Fälle in Zusammenhang mit dem Heimatschutzministerium, aber mir war klar, dass es sie nach Hause zog. Ich bluffte.
    »Geh allein, Schatz. Soll ich noch nach Hause fahren?«
    »Du kannst bei mir übernachten.«
    »Okay«, sagte sie.
    Ich brachte sie noch zur Tür und sagte, dass es nicht lange dauern würde. Die Temperatur war gefallen. Der Regen war in Graupel übergegangen.
    Ich hatte die Tracker – zwei kleine Fadenkreuze auf meiner Karte – jetzt schon so lange verfolgt, dass ich unbedingt wissen musste, was da vor sich ging. Marcus war zum Flussufer gefahren, nach Navy Yard, das lange eins der herunter gekommensten Viertel von DC gewesen war, voller leerer Lagerhäuser, schäbiger Punkclubs und Schwulensaunas. Der Großteil war abgerissen worden, um Platz für das neue Stadion der Washington Nationals und Eigentumswohnungen zu schaffen. Aber mit der Wirtschaft war auch der Gentrifizierungsplan zusammengebrochen. Geblieben war ein Niemandsland mit unbebauten Grundstücken, leeren Parkgaragen und riesigen, von der Marine stillgelegten Hallen, deren Fenster alle zerbrochen waren. Nicht gerade der Ort, den man sich für ein Geschäftstreffen auf Vorstandsebene aussuchen würde. Eher die Umgebung, wo man unliebsame Widersacher mit einem Zementblock an den Füßen im Fluss versenkte.
    Das GPS zeigte mir an, dass Marcus’ Wagen den Fluss erreicht hatte. Vielleicht war er ja nur dorthin gefahren, um aufs Wasser zu schauen, seinen Gedanken nachzuhängen und »Cat’s in the Cradle« zu lauschen. Nicht sehr wahrscheinlich. Die Gegend zwischen der 295er Brücke und Buzzard Point eignete sich mehr zum Carjacking als zur Inspiration.
    Ein grimmiger Aprilwind peitschte Schleier aus gefrorenem Regen über den Potomac. Ich folgte dem Tracker und wurde mit jeder Sekunde skeptischer. Er führte mich am Fluss entlang. Als ich dem Fadenkreuz auf meiner Karte immer näher kam und mir die Gegend genauer anschaute, hatte es den Anschein, als befände sich Marcus an der Spitze eines der Piers. Ich konnte aber nichts erkennen. Doch Satelliten irren nie. Also schaute ich mich um, ob ich nicht verfolgt wurde, stieg aus und ging den Pier hinunter.
    Je näher ich dem Fadenkreuz kam, desto schneller blinkte auf meinem Handy-Display ein kleines rotes Lämpchen. Eine nützliche Funktion, zumindest wenn man sich nicht auf einem dunklen verlassenen Pier herumdrückt. Dann kommt einem nämlich ein Lämpchen, das immer schneller blinkt und schließlich zu einem grellroten Punkt wird, ziemlich unheimlich vor.
    Ich stand fast am Ende des Piers, genau im Fadenkreuz. Es war eiskalt. Keine Spur von Marcus’ Wagen. Hatte er den Tracker in seinem Kotflügel entdeckt? Hatte er ihn in den Potomac geworfen? War er hier angespült worden? Das ergab keinen Sinn, angesichts des Weges, den der Tracker genommen hatte.
    Ganz am Ende des Piers bewegte sich ein Schatten. Kaum wahrnehmbar. Dann bewegte sich der Schatten wieder.
    Ich dachte noch einmal nach. Für Marcus war der Pier der perfekte Ort, um hier den Tracker selbst zu verstecken und seinen Verfolger zu stellen. So viel zur digitalen Zukunft. Wenn das stimmte, dann hatte ich mich selbst in die Falle gelotst.
    Der Schatten bewegte sich langsam, aber ich wusste jetzt, wo ich hinschauen musste. Eine Silhouette huschte durch die gelben Kegel der Natriumdampflampen.
    Es gab keinen Ausweg. William Marcus würde über mich herfallen wie ein Reiter der Apokalypse. Keine Chance, mich mit einer Lüge aus dieser Sache

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