Die 6. Geisel - Thriller
versuchte, gegen die Tränen anzukämpfen.
»Sie müssen wissen, dass sie so gut wie nichts gesagt hat.« »Das sieht Maddy nicht ähnlich.«
»Vielleicht hat man ihr eingeschärft, nichts zu sagen, weil sie ihr sonst wehtun würden …«
»O Gott. Diese Ungeheuer!«
»Warum sollten sie Maddy entführen und sie dann wieder freilassen, ohne Lösegeld zu verlangen?«, fragte Mr. Tyler, als wir die Station betraten.
Ich ließ die Frage unbeantwortet, weil ich nicht aussprechen wollte, was ich dachte: Pädophile stellen keine Lösegeldforderungen
. Ich trat zur Seite, um den Tylers den Vortritt zu lassen, als wir zu Maddys Bett in der Notaufnahme kamen, das mit einem Vorhang abgeteilt war. Ich dachte daran, wie überglücklich Madison sein würde, ihre Eltern wiederzusehen.
Henry Tyler drückte meinen Arm und flüsterte »Danke!«, als er durch den Vorhang trat. Ich hörte Elizabeth Tyler den Namen ihrer Tochter rufen - und dann einen gequälten Aufschrei.
Ich sprang zur Seite, als sie an mir vorbeistürmte. Henry Tyler kam gleich drauf heraus und baute sich drohend vor mir auf.
»Wissen Sie, was Sie getan haben?«, stieß er mit zornrotem Gesicht hervor. »Das Mädchen da drin ist nicht Madison. Verstehen Sie? Das ist nicht Madison. Das ist nicht unser Kind! «
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Ich bat die Tylers mehrmals aufrichtig um Entschuldigung, während sie mir auf dem Krankenhausparkplatz eine Szene machten.
Und als schließlich ihr Wagen an mir vorbeischoss und Gummispuren auf dem Asphalt zurückließ, stand ich da wie ein begossener Pudel. Das Handy an meiner Hüfte klingelte, und nach einer Weile nahm ich den Anruf an.
Es war Jacobi. »Eine Frau hat gerade angerufen und ihre Tochter als vermisst gemeldet. Das Kind ist fünf und hat lange blonde Haare.«
Die Anruferin hieß Sylvia Brodsky, und sie war vollkommen hysterisch. Sie hatte ihre Tochter Alicia beim Einkaufen aus den Augen verloren. Alicia musste sich irgendwie selbstständig gemacht haben, hatte Mrs. Brodsky der Telefonistin der Notrufzentrale erklärt und hinzugefügt, dass ihre Tochter Autistin sei.
Alicia Brodsky konnte kaum ein Wort sprechen.
Nicht lange nach Jacobis Anruf traf Sylvia Brodsky im Krankenhaus ein, um ihre Tochter abzuholen, aber diesmal waren Conklin und ich nicht dabei.
Wir saßen wieder in unserem Crown Vic und hielten eine Manöverkritik ab. Ich übernahm die Verantwortung für unser überstürztes Vorgehen und sagte: »Ich hätte mich unmissverständlicher ausdrücken sollen, als ich den Tylers sagte, wir hätten vielleicht ihre Tochter gefunden, seien uns aber nicht sicher . Aber ich habe ihnen gesagt, sie müssten ihr Kind selbst noch eindeutig identifizieren, oder nicht, Rich? Du hast es doch gehört.«
»Sie haben nicht mehr zugehört, nachdem du gesagt hattest: ›Wir haben möglicherweise Ihre Tochter gefunden.‹ Mensch, es hat doch alles gepasst, Lindsay. Sie sagte, ihr Name sei Maddy.«
»Na ja - so was Ähnliches.«
»Die roten Schuhe«, beharrte er. »Wie viele blonde fünfjährige Mädchen haben blaue Mäntel und rote Lackschuhe?«
»Mindestens zwei«, seufzte ich.
Zurück im Präsidium vernahmen wir Calvin zwei Stunden lang, quetschten ihn so lange aus, bis ihm das Grinsen verging. Wir sahen uns die Fotos an, die noch in seiner Kamera waren, und wir nahmen uns die vor, die Conklin in seinem Schlafzimmer gefunden hatte.
Es waren keine Fotos von Madison Tyler darunter, aber bis zum Schluss gaben wir die Hoffnung nicht auf, dass Calvin zufällig den Moment der Entführung festgehalten haben könnte.
Dass er vielleicht den schwarzen Van vor die Linse bekommen hatte.
Aber der Memory-Stick in seiner Kamera zeigte, dass er gestern gar keine Fotos am Alta Plaza Park gemacht hatte.
Ich fand Patrick Calvin zum Kotzen, aber das Gesetz stuft Erregung von Ekelgefühlen nicht als strafwürdiges Vergehen ein.
Also schmissen wir ihn raus. Setzten ihn auf freien Fuß.
Zusammen mit Conklin vernahm ich noch drei weitere registrierte Sexualtäter - drei gewöhnlich aussehende Weiße, denen man ihre perversen Neigungen nie angesehen hätte.
Drei Männer mit wasserdichten Alibis.
Gegen sieben machte ich endlich Schluss für diesen Tag. Meine emotionalen Reserven waren komplett aufgebraucht.
Ich betrat meine Wohnung, schlang die Arme um Marthas Hals und versprach ihr, dass ich mit ihr laufen würde, nachdem ich mir unter der Dusche die schmutzigen Bilder aus dem Hirn gespült hatte.
Auf der Anrichte in der Küche lag ein Zettel von
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