Die 6. Geisel - Thriller
Schreibtischen wie auf glühenden Kohlen, während wir auf Mary Jordan warteten. Als sie dann mit zehn Minuten Verspätung auftauchte, sah sie ziemlich fertig aus.
Ich lud die Büroleiterin der Westwood-Agentur ein, sich mit uns in die fensterlose Zelle zu setzen, die wir unsere Teeküche nennen. Rich rückte ihr einen Stuhl zurecht, und ich machte Kaffee - schwarz mit zwei Stück Zucker - so, wie sie ihn bei unserem letzten Treffen getrunken hatte.
»Ich habe für Madison gebetet«, sagte Jordan, während sie die Hände im Schoß knetete. Sie hatte violette Schatten unter den Augen. »Ich bin in meinem Innersten davon überzeugt, dass Gott gutheißt, was ich getan habe.«
Bei ihren Worten verspürte ich ein nervöses Kribbeln in der Magengegend. »Was haben Sie denn getan, Mary?«
»Als Mr. Renfrew heute Morgen das Haus verlassen hatte, habe ich wieder die Tür zu seinem Büro aufgeschlossen und mich dort noch etwas genauer umgesehen.«
Sie hievte eine große Handtasche aus einem lederähnlichen Material auf den Tisch und nahm ein in schieferblaues Leinen gebundenes altmodisches Hauptbuch heraus. Es war mit Queensbury-Agentur beschriftet.
»Das ist Mr. Renfrews Handschrift«, sagte Jordan und wies auf die ordentlichen Blockbuchstaben und Ziffern. »Es sind die Bücher einer Firma, die die Renfrews vor zwei Jahren in Montreal hatten.«
Sie schlug die Kladde an einer Stelle auf, wo ein Bogen aus festerem Papier zwischen den Seiten steckte. Jordan zog ihn heraus und drehte ihn um.
Es war ein Foto eines Jungen von ungefähr vier Jahren mit blondem Haar und unglaublichen blaugrünen Augen.
»Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«, fragte ich Jordan.
Sie nickte.
Ich war mit Kathy Valoy von der Staatsanwaltschaft im Aufzug nach oben gefahren, also wusste ich, dass sie an ihrem Schreibtisch war. Ich rief sie an und erklärte ihr die Sache mit der Queensbury-Agentur und dem Foto des Jungen.
»Die Renfrews ziehen kreuz und quer durch die Staaten und eröffnen überall diese Agenturen, um sie kurze Zeit später wieder zu schließen«, sagte ich. »Kathy, ich glaube, was wir hier vor uns haben, ist das Foto eines weiteren Opfers .«
Kathy muss immer zwei Stufen auf einmal genommen haben, denn kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, da stand sie auch schon in der Tür der Teeküche.
Sie fragte Mary Jordan, ob sie die Informationen auf eigene Faust ausgegraben habe, und wieder schwor Mary Jordan, nicht in unserem Auftrag gehandelt zu haben.
»Ich werde Richter Murphy anrufen«, sagte Valoy, während sie das Foto anstarrte und sich mit beiden Händen durch das kurze schwarze Haar fuhr. »Mal sehen, was sich machen lässt.«
Wenige Minuten, nachdem wir Jordan zum Aufzug begleitet hatten, war Kathy Valoy wieder am Apparat. »Ich faxe euch gleich den Durchsuchungsbeschluss durch.«
109
Paul Renfrew öffnete auf unser Klopfen hin persönlich die Tür der Westwood-Agentur. Er sah sehr adrett aus in seinem grauen Anzug mit Fischgrätmuster, dem frisch gestärkten Hemd mit Fliege und dem gepflegten weizenblonden Haar. Seine buschigen Augenbrauen hoben sich über der rahmenlosen Brille, und sein Lächeln wurde breiter.
Er schien höchst erfreut, uns zu sehen.
»Bringen Sie gute Nachrichten? Haben Sie Madison gefunden?«, fragte er.
Dann fiel sein Blick auf die vier uniformierten Beamten des Suchteams, die gerade aus ihrem Van stiegen.
»Wir haben einen Durchsuchungsbeschluss, Mr. Renfrew«, sagte ich.
Conklin gab den Uniformierten ein Zeichen, worauf sie mit ihren leeren Kartons die Treppe hinaufgestapft kamen. Sie folgten uns über den langen Flur in das Büro der Renfrews.
Es war ein ganz normaler Arbeitsplatz - auf dem Schreibtisch stand ein Becher mit Tee, dazu ein Teller mit den Resten von ein paar Muffins neben einem Stoß aufgeschlagener Akten.
»Ich schlage vor, dass Sie uns einfach alles über die Queensbury-Agentur erzählen«, sagte ich zu Renfrew.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz«, entgegnete er und deutete auf eines der zwei Sofas in der Ecke des Büros. Ich setzte mich, und Renfrew rollte seinen Bürostuhl heran. Dabei schielte er immer wieder unruhig zu Conklin, der den Cops Anweisungen erteilte. Sie begannen, die Akten in ihre Kartons zu räumen.
»Queensbury ist kein Geheimnis «, sagte Renfrew. »Ich hätte es Ihnen sicher gesagt, aber wir haben das Geschäft damals aufgegeben, weil es in Konkurs ging.«
Er zeigte mir seine Handflächen, als wollte er demonstrieren, dass sie sauber waren.
»Ich bin
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