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Die 6. Geisel - Thriller

Titel: Die 6. Geisel - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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neuesten Stand.
    »Er schreibt an einem Buch mit dem Titel Die Abrechnung «,
erklärte ich. »Der Untertitel lautet Ein statistisches Kompendium des 20. Jahrhunderts .«
    »Ach, komm! Er schreibt über alles , was in den letzten hundert Jahren passiert ist?«, fragte Yuki ungläubig.
    »Ja, falls man das ›Schreiben‹ nennen kann, wenn jemand seitenweise Statistiken aneinanderreiht! Etwa, wie viel Milch und Getreide pro Jahr in jedem Staat produziert wurden, wie viele Kinder die Grundschule durchlaufen haben, die Zahl der Haushaltsunfälle mit Küchengeräten …«
    »Mensch, so was kann man doch googeln«, meinte Yuki.
    »Aber Garry Tenning glaubt, dass Die Abrechnung seine Berufung ist«, sagte ich, als Lorraine uns Speisekarten brachte. »Seine Brötchen hat er nachts als Wachmann auf Baustellen verdient. Das gab ihm Zeit, ›seine großen Gedanken zu denken‹, wie er uns erzählt hat.«
    »Wie kann es denn sein, dass er in seinem kleinen abgeschlossenen Zimmer den ganzen Lärm von den anderen Mietern gehört hat?«, wollte Claire wissen.
    »Die Geräusche pflanzen sich über die Rohrleitungen und Lüftungsschächte fort«, sagte Cindy. »Und sie kommen an den komischsten Stellen raus. Ich kann zum Beispiel durch den Abzug in meinem Bad irgendwelche Leute unter der Dusche singen hören. Aber ich habe keinen blassen Schimmer, wer es ist und wo die Leute wohnen.«
    »Ich frage mich, ob er vielleicht an Hyperakusis leidet«, warf Claire ein.
    »Wie bitte?«, fragte ich.
    »Krankhafte Feinhörigkeit - wenn das Hörzentrum des Gehirns Probleme mit der Wahrnehmung von Geräuschen hat«, führte Claire aus, untermalt vom Stimmengewirr im Hinterzimmer und dem Geklapper von Töpfen und Pfannen aus der Küche. »Für jemanden, der unter Hyperakusis leidet, können Geräusche, die andere kaum hören, schon unerträglich sein.«
    »Mit welchen Folgen?«, fragte ich.
    »Der Betroffene fühlt sich isoliert. Na ja, und wenn du das
alles mit krankhaftem Jähzorn und pathologischem Sozialverhalten zusammenrührst, bekommst du einen Garry Tenning.«
    » Das Phantom des Blakely Arms «, sagte Cindy. »Du musst mir nur versprechen, dass er auf keinen Fall gegen Kaution freikommen kann.«
    »Ausgeschlossen«, beruhigte ich sie. »Er hat gestanden. Wir haben die Mordwaffe. Er sitzt hinter Gittern, und er ist so gut wie verurteilt.«
    »Also, wenn er wirklich diese akustische Wahrnehmungsstörung hat«, meinte Yuki, als Lorraine unser Essen brachte, »dann muss er im Gefängnis doch vollkommen durchdrehen.«
    »Hört, hört!«, rief Cindy und zeigte auf ihre Ohren.
    Während wir aßen, tauschten wir Anekdoten aus und vertrauten einander unsere Sorgen und Nöte an. Claire berichtete, dass ihr Arbeitspensum sich verdoppelt habe. »Heute Abend feiert Dr. Germaniuk seinen Ausstand. Er hat ein Jobangebot bekommen, das er nicht ablehnen konnte - irgendwo in Ohio.«
    Wir stießen auf ihren Kollegen an, und dann fragte Claire Yuki, wie es ihr so gehe.
    »Ich komme mir ein bisschen manisch-depressiv vor«, antwortete Yuki lachend. »An manchen Tagen denke ich, dass Fred-a-lito-lindo die Geschworenen davon überzeugen wird, dass er ein waschechter Psychopath ist. Und am nächsten Morgen wache ich auf und bin mir hundert Pro sicher, dass ich Mickey Sherman um Längen schlagen werde.«
    Irgendwann versuchten wir uns gegenseitig mit Namen für Claires Baby zu überbieten. Cindy rief: »Margarita, wenn’s ein Mädchen wird!«, wofür sie die nächste Runde spendiert bekam.
    Viel zu bald waren von unserem Essen nur noch die Knochen übrig, der Kaffee war serviert, und im Eingang standen schon die nächsten Gäste mit knurrendem Magen Schlange.
    Wir warfen unsere Scheine auf die Rechnung in der Mitte
des Tischs und wagten uns hinaus in den Regen. Ich war die Letzte, die das Lokal verließ.
    Ich fuhr zum Potrero Hill, verlor mich im Rhythmus der Scheibenwischer und den verschwommenen Scheinwerferlichtern der entgegenkommenden Autos. Nach dem aufwühlenden Tag und dem ausgelassenen Beisammensein mit meinen Freundinnen empfand ich die Fahrt wie eine Oase der Stille, die mir half, auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen.
    Joe würde nicht auf den Stufen vor meiner Haustür sitzen, wenn ich nach Hause kam.
    Und auch Martha war noch nicht aus ihrem Urlaub zurück.
    Donner grollte, als ich die Treppe zu meiner Wohnung hinaufeilte. Und es regnete immer noch, als ich allein zu Bett ging.

108
    Am nächsten Morgen saßen Rich und ich an unseren

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