Die 7 Geheimnisse Der Schildkroete
jedoch nur mit dem Verstand und nicht mit dem Gefühl, das uns weismachen will, dass wir ewig weiterleben. (Und die bisherige Erfahrung bestätigt dieses Gefühl!) Das ist ein Optimismus mit Folgen: Wir fühlen dann, dass wir noch »ewig« Zeit haben, uns auf die wesentlichen Dinge in unserem Leben zu konzentrieren. Wer sich von der Begierde nach Leben befreit, wird nicht etwa in Mutlosigkeit versinken, sondern erkennen, was wirklich Bedeutung in seinem Leben hat. Er wird beginnen, nach Sinn zu suchen.
Freilich kann auch ein Leben ohne jeden Gedanken an Sinn erträglich sein – aber nicht erfüllt. Wenn Sie die Kunst der Genügsamkeit auch auf die Begierde nach Leben anwenden und Ihrem Leben Sinn geben, dann wird Ihnen alles leichter – denn Sie wissen, wofür Sie leben.
Es gibt eine kleine Übung, die auf den ersten Blick ein wenig düster erscheint, die jedoch sehr gut hilft, sich seines Lebenssinns bewusst zu werden. Schreiben Sie Ihre eigene Todesanzeige – so wie Sie sie gerne über sich lesen würden. Dabei werden schnell alle unwichtigen, unnötigen und überflüssigen Dinge von Ihnen abfallen. Können Sie sich vorstellen, dass beklagt wird, dass Sie kein teureres Auto besaßen? Dass Sie nicht mehr Zeit mit der Arbeit und weniger mit Ihren Freunden und Ihrer Familie verbracht haben?
Wie sollen Ihre Liebsten Sie in Erinnerung behalten?
»Meisterin, sollte man nicht zu seiner Meinung stehen?«, fragte Vahari eines Tages die alte Schildkröte. »Ich habe nun den Mut gewonnen, meine Ansichten auch zu vertreten, wenn andere mich angreifen.« Kurma lachte, bis ihr die Tränen aus den Augen liefen. »Ach, Meinungen gibt es doch wie Sand am Meer. Warum ein Sandkorn sein, wenn du der Strand sein kannst?«
An kaum etwas hängen Menschen so sehr wie an ihren Meinungen. Mitunter glauben Menschen sogar, sie seien ihre Meinung; sie identifizieren sich mit dem, was sie als ihre Meinung bezeichnen. Und indem sie dies glauben, beginnen sie langsam, ein wenig Recht damit zu haben.
Die Welt ist unsere Vorstellung von der Welt. Und unsere Meinungen darüber, wie die Welt beschaffen ist, formen unsere Vorstellung. Ist es dann ein Wunder, wenn bei manchen Menschen eine große Angst auftaucht, wenn ihre Meinungen bedroht sind? Sie fürchten, dass sich ihre Vorstellungen ändern – und damit ihre gewohnte Welt. Die Welt könnte ins Wanken und aus den Fugen geraten, wenn sie ihre Meinung losließen. Und damit haben sie ganz Recht.
Doch ist diese Veränderung der Welt wirklich zu fürchten? Was sind Meinungen anderes als Filter zwischen Bewusstsein und Realität, die so verwirrend bunt ist, dass wir offenbar Filter benötigen, um nicht überwältigt zu werden. Mit unseren Meinungen versuchen wir, Ordnung in das Chaos zu bringen. Diese Ordnung entsteht dadurch, dass wir Teile der Wirklichkeit ausblenden. Und mit Sicherheit sind auch immer wieder Teile darunter, die wichtig für uns wären, die uns unserer Erfüllung näher brächten. Meinungen taugen nicht viel als Filter.
Das Festhalten an Meinungen ist vom Lehrmeister Angst inspiriert. Doch mit der scheinbaren Ordnung, die durch Meinungen entsteht, verhält es sich wie mit cheuklappen: Vielleicht ist man nicht so leicht verwirrt -aber man ist unfrei und kann nur einen sehr kleinen Teil der Welt sehen. Das Nichtfesthalten am Gewohnten, die Genügsamkeit auch in Bezug auf die eigene Meinung ist wieder einmal kein Verlust, sondern ein Gewinn. Ganz besonders dann, wenn sich die Meinungen auf uns selbst beziehen.
Menschen, die unzufrieden sind, sind eigentlich, im Tiefsten ihrer Seele, unzufrieden mit sich selbst. Wenn jemand denkt »Ich bin erfolgreich – und ich schaffe auch diese Herausforderung!« wird er weit eher und weitaus leichter an sein Ziel gelangen als mit der Einstellung: »Ich bin ein Versager – und das wird sich jetzt auch wieder zeigen.« Die Meinung über sich selbst wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Was für die Einstellungen gegenüber sich selbst gilt, gilt ebenso für andere Menschen und für die Welt. Wenn Sie die Welt mit »positiven Augen« betrachten, ist sie einfach viel schöner.
Bei dem Vorhaben, sich von (zunächst einmal negativen) Meinungen und Einstellungen zu befreien, hilft eine einfache Technik, die eine charakteristische menschliche Fähigkeit nutzt: den Humor. Über was Sie lachen, das nehmen Sie nicht mehr »tierisch ernst«. Und Sie können über Ihre Meinungen lachen. Nicht sofort – denn dann würden Sie sie
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