Die 7 Suenden
dadurch, dass er ihnen einst nahegestanden hatte, hatten auch wir das Gefühl, als hätten wir sie persönlich gekannt.
Conklin war zum Flughafen gefahren, um Kelly Malone abzuholen, und deshalb fungierte Jacobi als mein Partner. Wir standen auf der Schwelle eines einfachen Holzhauses in Laurel Heights, nur ein Dutzend Querstraßen von der Stelle entfernt, wo das Haus, das einst den Malones gehört hatte, auf den Abrissbagger wartete. Ich klingelte, und ein Mann Anfang vierzig machte die Tür auf. Er trug ein Sweatshirt und eine Jeans und sah mich an, als wüsste er bereits, weshalb wir gekommen waren.
Jacobi nannte unsere Namen und sagte: »Ist Ronald Grayson zu Hause?«
»Ich hole ihn«, sagte der Mann.
»Dürfen wir reinkommen?«
Graysons Vater erwiderte. »Natürlich. Es geht um das Feuer, stimmt’s?« Er öffnete die Tür zu einem aufgeräumten, gemütlich eingerichteten Wohnzimmer mit einem riesigen Plasma-Fernseher über dem offenen Kamin. Er rief: »Ronnie. Die Polizei ist da.«
Da hörte ich, wie die Hintertür mit lautem Knall, vermutlich von einer starken Feder gezogen, ins Schloss fiel.
Ich sagte: » Scheiße . Verstärkung anfordern.«
Dann ließ ich Jacobi im Wohnzimmer stehen und rannte durch die Küche und zur Hintertür hinaus. Ich war auf mich alleine gestellt. Jacobi konnte mit seinen kranken Lungen und
den zwanzig Pfund Übergewicht, die er sich seit seiner Beförderung zum Lieutenant angefuttert hatte, nicht mehr schnell laufen.
Ich rannte dem Jungen nach und sah ihn über die niedrige Hecke zum Nachbargarten springen. Ronald Grayson war kein Sportler, aber er besaß lange Beine und kannte sich in der Umgebung aus. Hinter einer Einzelgarage bog er scharf rechts ab und konnte seinen Vorsprung ausbauen.
Ich brüllte: » Sofort stehen bleiben. Hände hoch «, aber er lief weiter.
Ich steckte in einer Zwickmühle. Einerseits wollte ich nicht auf ihn schießen, aber andererseits hatte dieser Teenager einen Grund wegzulaufen. Hatte er dieses Feuer gelegt?
War dieser Junge ein Killer?
Ich gab meine genaue Position durch und rannte weiter. Als ich die Garage umkurvt hatte, sah ich, wie Grayson junior den Arguello Boulevard überquerte und frontal gegen einen Streifenwagen prallte. Er glitt von der Motorhaube auf den Bürgersteig. Zwei uniformierte Beamte stiegen aus, während bereits ein zweiter Streifenwagen näher kam. Einer der Polizisten packte den Jungen am Hemdkragen und drückte ihn mit dem Oberkörper auf die Motorhaube, während der andere die Beine des Jungen auseinanderschob und ihn filzte.
In diesem Augenblick sah ich Ronald Graysons blau angelaufenes Gesicht.
»Oh, mein Gott!«, schrie ich.
Ich zog Grayson vom Auto weg, ließ seinen Oberkörper nach vorne klappen und legte von hinten die Arme um ihn, umfasste mit der rechten Hand meine linke Faust, suchte und entdeckte die Stelle unterhalb des Brustbeins und versetzte seinem Solarplexus drei kräftige Stöße. Er hustete, und drei kleine Plastikbeutel fielen aus seinem Mund auf den Asphalt. Die Beutel enthielten Crack.
Auch ich atmete schwer. Und ich hatte eine Stinkwut. Ich legte dem Jungen mit unsanften Bewegungen Handschellen an und nahm ihn wegen Drogenbesitzes und Drogenhandels fest. Und ich las ihm seine Rechte vor.
»Du Vollidiot «, keuchte ich. »Ich habe eine Pistole . Kapiert? Ich hätte dich erschießen können.«
»Leck mich am Arsch .«
»Das sollte wohl ›Danke‹ heißen, oder etwa nicht? Arschloch«, sagte einer der uniformierten Beamten. »Sergeant Boxer hat dir gerade dein sinnloses Leben gerettet.«
23
Jacobi und ich wussten bereits zwei Dinge über Ronald Grayson: dass er bei seiner Festnahme Crack mitgeführt und dass er das Feuer bei den Malones gemeldet hatte.
Aber hatte er das Feuer auch gelegt ?
Als ich Ronald Grayson im Verhörzimmer gegenübersaß, musste ich an einen anderen Teenager denken, Scott Dyleski. Dyleski war im Alter von sechzehn Jahren in das Haus einer Frau in Lafayette eingedrungen, hatte Dutzende Male auf sie eingestochen und sie schrecklich verstümmelt, weil sein verwirrter Geist ihm eingeredet hatte, dass sie seine Drogenlieferung in Empfang genommen hatte und jetzt vor ihm versteckte. Dyleski war im Unrecht und psychisch krank gewesen, und der Mord hätte niemals geschehen dürfen.
Aber er war geschehen.
Und so betrachtete ich nun den fünfzehn Jahre alten Ronald Grayson mit seiner glatten Haut und den dunklen Haaren, wie er mit den Fingern auf der Tischplatte
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