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Die Abaddon-Mission (German Edition)

Die Abaddon-Mission (German Edition)

Titel: Die Abaddon-Mission (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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seiner Tochter zu schauen. Dr. Stapleton, ihr Hauslehrer, hatte sich Störungen verbeten, und so öffnete Sir Andrew die Tür nur einen Spaltbreit. Wenn er die Situation ric h tig deutete, ließ sich der kleine Mann gerade über Valeries Rezitationskünste aus, die offensichtlich nicht seinen Beifall gefunden hatten. »Kleiner Mann« war in diesem Fall wörtlich zu nehmen, denn Dr. Stapleton war keine zwei Fuß groß und stand wie immer auf seinem Schreibtisch; anderenfalls wäre er kaum zu sehen gewesen.
    Valery war nie zur Schule gegangen und nahm vermutlich an, daß alle Lehrer aussahen wie Dr. St a pleton. Außerdem wußte sie nicht, was ein Hol o gramm war. Für sie war der Zwerg einfach ein gra u haariger kleiner Mann, der enorm viel wußte und stets dahi n terkam, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht erledigt hatte. Normalerweise respektierte sie seine Autor i tät, im Augenblick aber fühlte sie sich mehr als u n gerecht behandelt.
    »Es war aber alles richtig!« rief sie empört und stampfte mit dem Fuß auf.
    »Nicht so heftig, kleines Fräulein«, erwiderte der Zwerg gutmütig. »Niemand wirft dir vor, daß du den Text nicht richtig auswendig gelernt hättest. Aber ein gutes Gedicht ist nun einmal mehr als eine A n einanderreihung von Worten. Es ist ein Kunstwerk, bei dem Inhalt und Form eine Einheit bilden. Die Art deines Vortrages läßt leider vermuten, daß du es nicht verstanden hast.«
    »Das stimmt«, gab das Mädchen freimütig zu, r e lat i vierte das Eingeständnis jedoch umgehend in jener Art von Logik, wie sie ausschließlich Kindern vo r behalten ist, »aber nur, weil es  soo altmodisch ist!«
    Sir Andrew hatte Mühe, nicht laut herauszupla t zen, und so schloß er rasch die Tür und ließ die Ko n tr a henten allein.
    Ich bin gespannt, was Val in ein paar Jahren dazu sagen wird , dachte er lächelnd, wenn sie sich die alten Aufnahmen ansieht. Die Vorstellung amüsierte ihn, bis ihm einfiel, wie viele Fragezeichen hinter diesem »in ein paar Jahren« standen, und sein L ä cheln verging.
    Die Geräusche aus dem Zimmer seines Sohnes waren nicht dazu angetan, seine Laune zu bessern. Das selbst durch die geschlossene Tür noch deutlich ve r nehmbare Heulen des Sturmes und die blechern klingenden Kommandostimmen ließen nur einen Schluß zu: Robin war wieder einmal auf dem Mars unterwegs, einem Ort, der sich in beinahe jeder Hi n sicht von seiner gewohnten Umgebung unterschied. Sein Sohn verließ die Dünenfelder und Schluchten seines Lieblingsplaneten nur zu den Mahlzeiten und – meist nur widerwillig – zu den vormittäglichen Lektionen bei Dr. Stapleton. Natürlich hatte er nichts unversucht gelassen, sich dieser lästigen Pflicht zu entziehen, bis Sir Andrew schließlich der Kragen geplatzt war: »Gut, mein Junge, dann laß den Unterricht sausen, wenn du bei den Mädchen im Dorf als Dummkopf dastehen willst.« Seitdem war Robin wieder einigermaßen regelmäßig zum Unte r richt erschienen.
    Der Junge war immerhin fast vierzehn Jahre alt, und die Reize der gleichaltrigen Dorfschönheiten kon n ten ihm nicht entgangen sein. Seine Hautfarbe – zu seinem Pech hatte er Helens extrem sonnenem p fin d lichen Teint geerbt – und sein zurückhaltender Charakter machten es ihm allerdings schwer, ihnen u n befangen gegenüberzutreten. Einige der Mädchen machten sich zudem einen Spaß daraus, den wenig selbstbewußten »Whity« in Verlegenheit zu bringen, und vielleicht war das der eigentliche Grund für R o bins Rückzug in die unwirtlichen Weiten des roten Planeten. Sir Andrew hatte Verständnis für die Pr o bleme des Jungen, aber seine Zuneigung für ihn war nicht so rückhaltlos wie die, die er für Valery em p fand.
    Das Mädchen war ein Kind der neuen Welt. Sie war auf der Insel geboren und hatte ihr Zuhause von frühester Kindheit an begeistert angenommen. Sie b a dete leidenschaftlich gern im Meer und schwamm wie ein Fisch. Sie konnte »Onkel Ari« stundenlang bei der Gartenarbeit zusehen, ohne sich zu langwe i len. Sie unterhielt sich mit den Tieren, lange bevor sie selbst sprechen gelernt hatte, und – was das Wichtigste war – sie konnte Dämonen bannen.
    Helen hatte ihm gestanden, daß es ihr in Valeries Anwesenheit schwerfiel, sich an ihr früheres Leben zu erinnern. Sir Andrew war zunächst irritiert gew e sen, mußte dann aber zugeben, daß es ihm ähnlich ging. Worauf diese Wirkung beruhte, darüber konnte er nur Mutmaßungen anstellen – ebenso wie über die Tatsache, daß er nur

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