Die Abaddon-Mission (German Edition)
Andrew und fügte dann scheinbar zusammenhangslos hinzu: »Sie können die Barkasse nehmen.«
»Nein, wir nehmen das Segelboot.«
»Wir?«
»Ja, Mr. Baldhead und ich. Er wird sich schon noch an mich gewöhnen.«
»Bis zur Küste sind es fast fünfzig Seemeilen.«
Wenn es noch eine Küste gibt , ergänzte er in G e da n ken, behielt seine Zweifel aber für sich.
»Ich weiß«, erwiderte der alte Mann, »und ich freue mich auf jede einzelne. Ich will nach Hause. Dieser wunderschöne Ort schlägt mir auf den M a gen, erst recht, seitdem Louise nicht mehr ist ...«
»Mr. Lemieux?«
»Ja?«
»Ich habe den Eindruck, daß Sie mir etwas ve r schweigen.«
»Sie sind ein guter Menschenkenner, Sir. Ich habe ein Geschenk für Sie.«
Überrascht starrte Sir Andrew auf die Waffe, die ihm der alte Mann reichte.
Es war eine Heckler & Koch, P7, Kaliber 9 mm, eine der zuverlässigsten und tödlichsten Faustfeue r waffen, die er kannte. Und er hatte einige gekannt – damals ...
Reflexartig griff er nach der Waffe und spürte die kühle, vertraute Oberfläche des Griffs in der Hand. Das Magazin war geladen. Sir Andrew kannte das Gewicht. Er mußte sich zwingen, den Lauf in Ric h tung Boden zu senken.
»Woher haben Sie die? Die Kontrollen ...«, dann begriff er und verstummte.
»Sie sollten nicht davonkommen, Colonel«, sagte der alte Mann und lächelte. »Aber ich habe wohl zu lange gewartet. So etwas muß man sofort erledigen, oder es geht schief.«
Sir Andrew wollte fragen, was aus dem richtigen Aristide Lemieux geworden war, aber seine Kehle war wie zugeschnürt.
»Sie müssen nichts sagen, Sir. Das Spiel ist außer Kontrolle geraten, und wir haben verloren, Sie und ich. Manchmal finden wir jemanden, der uns hilft, die Last zu tragen, aber das ist nie von Dauer. Am Ende wünscht man sich nur noch nach Hause ...«
Sir Andrew nickte. Er wußte, wovon der alte Mann sprach. Der Regenbogen konnte sie vor allen denkbaren Gefahren schützen. Aber gegen die D ä monen der Erinnerung war er machtlos, irgendwann fraßen sie einen auf ...
»Was Sie da vorhaben, ist reiner Selbstmord«, sagte er und sah hinaus aufs Meer, wo die schiller n den Säulen des Regenbogens im Dunst versanken. »Ich werde dafür sorgen, daß Sie Ihre Chance beko m men.«
»Das werden Sie nicht tun, Sir.«
»Wie bitte?« Sir Andrew glaubte, sich verhört zu haben. »Was woll ...«, ein grellgelber Blitz fuhr plötzlich auf ihn herab, und er verlor die Besinnung.
***
»Papa, Papa, wo bist du denn?!«
Valeries Stimme drang wie von weither in Sir Andrews Bewußtsein.
Was war los, war er eingeschlafen? Und woher kamen diese schrecklichen Kopfschmerzen? Noch halb benommen richtete er sich auf und betastete vorsichtig seinen Hinterkopf. Die Beule war pfla u mengroß, aber wenigstens fand er kein Blut. Hastig griff er nach der Waffe, die er im Sturz verloren ha t te, und warf sie über die Klippen ins Meer.
»Papa, wo bleibst du denn? Ma hat dich schon g e sucht!« rief ihm Valery atemlos entgegen. »Du weißt wohl gar nicht, was passiert ist?«
»Nein, was denn?«
»Die Leute im Dorf sagen, Onkel Ari wäre mit dem Boot rausgefahren.«
»Wenn die Leute das sagen, wird es schon sti m men.«
»Sie sagen, er wäre zum Regenbogen gefahren und würde nie, nie mehr wiederkommen!«
Am Ende wünscht man sich nur noch nach Hause , dachte Sir Andrew und fragte sich, ob der alte Mann es wohl gefunden hatte – das Land jenseits des R e genbogens.
»Pa? Warum sagst du denn nichts? ... Pa?! ...«
Der traurige Dichter
Der Dichter lebte in einem kleinen Haus am Ufer des San d meeres. In windstillen Nächten konnte er es atmen hören wie ein gewaltiges Tier, das seit Mi l lionen Jahren schlief.
Neben dem Wohngebäude stand ein gläsernes Gewäch s haus, in dem der alte Mann nicht etwa Obst und Gemüse züchtete wie andere Kolonisten, so n dern Sonnenblumen. Das hatte sich als ein a n spruchsvolles Unterfangen erwiesen, denn die em p findlichen Pflanzen benötigten vor allem eines: Licht. So hatte es lange gedauert, bis es dem Ei n siedler gelungen war, mit Hilfe einer komplizierten Anordnung von Quar z lampen und Sonnensteinen die ersten Exemplare zur Blüte zu bringen. Seither erstrahlte das Gewächshaus tagein, tagaus im Glanz winziger elektrischer Sonnen – ein gelber Lich t fleck, der selbst tagsüber meilenweit zu s e hen war.
Dennoch erhielt der traurige Dichter nur selten Besuch, denn die nächste Siedlung lag mehr als eine
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