Die Abaddon-Mission (German Edition)
Tagesreise en t fernt. Zumeist waren es Steinsucher, die mehr oder weniger zufällig zu dem Anwesen des Einsiedlers gefunden hatten. Die Männer waren oft wochenlang allein mit ihren Wüh l hunden unterwegs und ließen sich nicht lange bitten, wenn der Dichter sie auf ein Glas Wein in sein Gewächshaus ei n lud.
Dort saßen sie dann auf Gartenstühlen inmitten der So n nenblumen, tranken und schauten hinaus auf das Sandmeer, über das in der Ferne Staubteufel tanzten. Die Männer spr a chen wenig. Sie wußten, daß jedes unbedachte Wort den Zauber des Auge n blicks ze r stören konnte. Der Hausherr e r kundigte sich nicht nach ihrem Woher und Wohin, und sie hüteten sich, ihn nach seinen Plänen zu fragen. Manchmal kam auch ein Tauschgeschäft zustande, das jedoch eher Au s druck der gegenseitigen Wer t schätzung war, als daß die Bete i ligten einen Vorteil daraus ziehen konnten. Der Dichter b e saß mittle r weile genügend Sonnensteine, und die Blumen ve r welkten außerhalb des Gewächshauses innerhalb weniger Tage.
Wenn sich die Gäste dann verabschiedet hatten, sah ihnen der traurige Dichter nach, bis der Wind ihre Spuren verweht hatte – ein Bild, das für ihn Sy m bolgehalt hatte. Das San d meer tilgte die Spuren wie das Vergessen ...
Der Dichter hatte Port Marineris schon vor Jahren verla s sen, als ihm klargeworden war, wie sehr die Ansiedlung b e reits einer irdischen Stadt ähnelte. Natürlich wußte er um die Zwangsläufigkeit dieser Entwicklung, aber das bedeutete ke i neswegs, daß er daran teilhaben wollte. Also hatte er der E r schli e ßungsgesellschaft ein Stück Land abgekauft und war mit dem wenigen, das er besaß, hinausgezogen in die Ei n samkeit einer Landschaft, die nur dem U n kundigen karg und lebensfeindlich erschien. Gewiß, es war kalt, und manchmal hielt ihn der Sturm tag e lang in seinen vier Wänden gefangen, aber daran hatte sich der traurige Dichter längst gewöhnt. Dafür entschädigten ihn die reine Luft, die Stimmen des Windes und ein Nachthimmel, an dem die Sterne zum Gre i fen nah schienen. An diesem Himmel war die Erde nicht mehr als ein bläulich schimmernder Lichtpunkt, Stern unter Sternen.
Die Erde ...
Es war seltsam. Als er noch dort gelebt hatte, war er von Orten wie diesem fasziniert gewesen, und jetzt, da er sein Ziel erreicht hatte, schrieb er G e schichten über die alte Erde. Dennoch hatte der Dichter nie das Bedürfnis empfunden z u rückzuke h ren, und die spä r lichen Nachrichten, die ihn in seiner Abgeschiedenheit erreichten, waren kaum dazu a n g e tan, seine d a malige Entscheidung zu bedauern. Der Krieg b e stimmte noch immer die Schlagzeilen, und er würde es weiter tun, bis es eines Tages keine Schlagze i len mehr gab.
Aber der Krieg war nicht der Grund, weshalb er in letzter Zeit so oft an die Erde dachte. Die Gedanken des Dichters galten einer Welt, die längst nicht mehr existierte. Er rechn e te nicht damit, noch einmal e t was von jenen zu hören, die mit ihm zusammen jung gewesen waren. Wahrscheinlich w a ren die meisten längst tot. Allerdings hatte er nie den Ve r such unte r nommen, etwas über ihr Schicksal in Erfahrung zu bringen. Nicht, weil er die Gewißheit scheute, so n dern weil er sie so in Erinnerung behalten wollte, wie sie gewesen waren. Damals. Die Bilder, die er in seinem Herzen trug, waren ihm wichtiger als etwa i ge Lebenszeichen arthritischer Pensionäre, die vo r gaben, die gleiche Schule wie er besucht zu haben. Das Eingeständnis, sie tatsächlich zu kennen, würde das Ende e i ner Illusion bedeuten, die ihm mit den Jahren immer wicht i ger geworden war: Daß die Zeit hier keine Macht über ihn hatte.
Die Geschichten, die er schrieb, waren Teil dieser Illusion: Sie führten den Leser entweder zurück in das vorige Jah r hundert oder in eine Zeit, die nicht genauer definiert war. Letzteres kam seinen Inte n tionen am nächsten, war er doch besessen von der Idee, eine Welt zu erschaffen, der die Real i tät nichts anzuhaben vermochte. »Die Lieder einer alten Stadt«, sein erster und bislang einziger Erfolg als Schriftste l ler, handelten von solch einer fiktiven Welt, in die er seine Träume und Phantasien proj i ziert hatte. Ähnliches war ihm seither nie wieder gelungen, und das war einer der Gründe gewesen, die ihn letztlich dazu bewogen hatten, der Erde den Rücken zu kehren.
Nun lebte er schon seit einer Reihe von Jahren, über deren genaue Zahl er sich Rechenschaft abz u legen hütete, am Ufer des Sandmeeres und
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