Die Abenteuer der Silvester-Nacht
so
schnell wurde alles Nötige veranstaltet, daß, als die Morgen-
röte aufgegangen, Erasmus auf einem raschen Pferde sich
schon weit von Florenz entfernt hatte. — Spikher hat manches
Abenteuer aufgeschrieben, das ihm auf seiner Reise begegnete.
Am merkwürdigsten ist der Vorfall, welcher zuerst den Verlust
seines Spiegelbildes ihm recht seltsam fühlen ließ. Er war
nämlich gerade, weil sein müdes Pferd Erholung bedurfte, in
einer großen Stadt geblieben und setzte sich ohne Arg an die
stark besetzte Wirtstafel, nicht achtend, daß ihm gegenüber
ein schöner klarer Spiegel hing. Ein Satan von Kellner, der
hinter seinem Stuhle stand, wurde gewahr, daß drüben im
Spiegel der Stuhl leer geblieben und sich nichts von der darauf
sitzenden Person reflektiere. Er teilte seine Bemerkung dem
Nachbar des Erasmus mit, der seinem Nebenmann, es lief
durch die ganze Tischreihe ein Gemurmel und Geflüster, man
sah den Erasmus an, dann in den Spiegel. Noch hatte Eras-
mus gar nicht bemerkt, daß ihm das alles galt, als ein ernst-
hafter Mann vom Tische aufstand, ihn vor den Spiegel führte,
hineinsah und, dann sich zur Gesellschaft wendend, laut rief:
„Wahrhaftig, er hat kein Spiegelbild!“ „Er hat kein Spiegel-
bild — er hat kein Spiegelbild!“ schrie alles durcheinander;
„ein mauvais sujet, ein homo nefas, werft ihn zur Tür hin-
aus!“ — Voll Wut und Scham flüchtete Erasmus auf sein Zim-
mer; aber kaum war er dort, als ihm von Polizei wegen ange-
kündigt wurde, daß er binnen einer Stunde mit seinem
vollständigen, völlig ähnlichen Spiegelbilde vor der Obrigkeit
erscheinen oder die Stadt verlassen müsse. Er eilte von dan-
nen, vom müßigen Pöbel, von den Straßenjungen verfolgt, die
ihm nachschrieen: „Da reitet er hin, der dem Teufel sein Spie-
gelbild verkauft hat, da reitet er hin!“ — Endlich war er im
Freien. Nun ließ er überall, wo er hinkam, unter dem Vor-
wande eines natürlichen Abscheus gegen jede Abspiegelung,
alle Spiegel schnell verhängen, und man nannte ihn daher
spottweise den General Suwarow, der ein gleiches tat.
Freudig empfing ihn, als er seine Vaterstadt und sein Haus
erreicht, die liebe Frau mit dem kleinen Rasmus, und bald
schien es ihm, als sei in ruhiger, friedlicher Häuslichkeit der
Verlust des Spiegelbildes wohl zu verschmerzen. Es begab sich
eines Tages, daß Spikher, der die schöne Giulietta ganz aus
Sinn und Gedanken verloren, mit dem kleinen Rasmus spielte;
der hatte die Händchen voll Ofenruß und fuhr damit dem
Papa ins Angesicht. „Ach, Vater, Vater, wie hab’ ich dich
schwarz gemacht, schau’ mal her!“ So rief der Kleine und
holte, ehe Spikher es hindern konnte, einen Spiegel herbei,
den er, ebenfalls hineinschauend, dem Vater vorhielt. — Aber
gleich ließ er den Spiegel weinend fallen und lief schnell zum
Zimmer hinaus. Bald darauf trat die Frau herein, Staunen und
Schreck in den Mienen. „Was hat mir der Rasmus von dir er-
zählt“, sprach sie. „Daß ich kein Spiegelbild hätte, nicht wahr,
mein Liebchen?“ fiel Spikher mit erzwungenem Lächeln ein
und bemühte sich zu beweisen, daß es zwar unsinnig sei zu
glauben, man könne überhaupt sein Spiegelbild verlieren, im
ganzen sei aber nicht viel daran verloren, da jedes Spiegelbild
doch nur eine Illusion sei, Selbstbetrachtung zur Eitelkeit
führe, und noch dazu ein solches Bild das eigne Ich spalte in
Wahrheit und Traum. Indem er so sprach, hatte die Frau von
einem verhängten Spiegel, der sich in dem Wohnzimmer be-
fand, schnell das Tuch herabgezogen. Sie schaute hinein, und
als träfe sie ein Blitzstrahl, sank sie zu Boden. Spikher hob sie
auf, aber kaum hatte die Frau das Bewußtsein wieder, als sie
ihn mit Abscheu von sich stieß. „Verlasse mich,“ schrie sie,
„verlasse mich, fürchterlicher Mensch! Du bist es nicht, du bist
nicht mein Mann, nein — ein höllischer Geist bist du, der
mich um meine Seligkeit bringen, der mich verderben will. —
Fort, verlasse mich, du hast keine Macht über mich, Ver-
dammter!“ Ihre Stimme gellte durch das Zimmer, durch den
Saal, die Hausleute liefen entsetzt herbei, in voller Wut und
Verzweiflung stürzte Erasmus zum Hause hinaus. Wie von
wilder Raserei getrieben, rannte er durch die einsamen Gänge
des Parks, der sich bei der Stadt befand. Giuliettas Gestalt
stieg vor ihm auf in Engelsschönheit, da rief er laut: „Rächst
du dich so, Giulietta, dafür, daß ich dich verließ
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