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Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Die Abenteuer der Silvester-Nacht

Titel: Die Abenteuer der Silvester-Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. T. A. Hoffmann
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gewahr. Sie
    stand auf und sprach in beinahe fremdem Ton: „Es freuet
    mich recht sehr, Sie hier zu sehen — Sie sehen recht wohl
    aus!“ — und damit setzte sie sich wieder und fragte die neben
    ihr sitzende Dame: „Haben wir künftige Woche interessantes
    Theater zu erwarten?“ — Du nahst dich der herrlichen Blume,
    die in süßen heimischen Düften dir entgegenleuchtet, aber so-
    wie du dich beugst, ihr liebliches Antlitz recht nahe zu schauen,
    schießt aus den schimmernden Blättern heraus ein glatter,
    kalter Basilisk und will dich töten mit feindlichen Blicken! —
    Das war mir jetzt geschehen! — Täppisch verbeugte ich mich
    gegen die Damen, und damit dem Giftigen auch noch das Al-
    berne hinzugefügt werde, warf ich, schnell zurücktretend,
    dem Justizrat, der dicht hinter mir stand, die dampfende Tasse
    Tee aus der Hand in das zierlich gefaltete Jabot. Man lachte
    über des Justizrats Unstern und wohl noch mehr über meine
    Tölpelhaftigkeit. So war alles zu gehöriger Tollheit vorbereitet,
    aber ich ermannte mich in resignierter Verzweiflung. Julie
    hatte nicht gelacht, meine irren Blicke trafen sie, und es war,
    als ginge ein Strahl aus herrlicher Vergangenheit, aus dem Le-
    ben voll Liebe und Poesie zu mir herüber. Da fing einer an, im
    Nebenzimmer auf dem Flügel zu phantasieren, das brachte
    die ganze Gesellschaft in Bewegung. Es hieß, jener sei ein
    fremder großer Virtuose, namens Berger, der ganz göttlich
    spiele und dem man aufmerksam zuhören müsse. „Klappre
    nicht so gräßlich mit den Teelöffeln, Minchen“, rief der Justiz-
    rat und lud, mit sanft gebeugter Hand nach der Tür zeigend
    und einem süßen: „Eh bien!“, die Damen ein, dem Virtuosen
    näher zu treten. Auch Julie war aufgestanden und schritt lang-
    sam nach dem Nebenzimmer. Ihre ganze Gestalt hat etwas
    Fremdartiges angenommen, sie schien mir größer, herausge-
    formter in fast üppiger Schönheit, als sonst. Der besondere
    Schnitt ihres weißen, faltenreichen Kleides, Brust, Schulter
    und Nacken nur halb verhüllend, mit weiten bauschigen, bis
    an die Ellbogen reichenden Ärmeln, das vorn an der Stirn ge-
    scheitelte, hinten in vielen Flechten sonderbar heraufgenestelte
    Haar gab ihr etwas Altertümliches, sie war beinahe anzuse-
    hen, wie die Jungfrauen auf den Gemälden von Mieris — und
    doch auch wieder war es mir, als hab’ ich irgendwo deutlich
    mit hellen Augen das Wesen gesehen, in das Julie verwandelt.
    Sie hatte die Handschuhe herabgezogen und selbst die künst-
    lichen, um die Handgelenke gewundenen Armgehänge fehl-
    ten nicht, um durch die völlige Gleichheit der Tracht jene
    dunkle Erinnerung immer lebendiger und farbiger hervorzu-
    rufen. Julie wandte sich, ehe sie in das Nebenzimmer trat,
    nach mir herum, und es war mir, als sei das engelschöne, ju-
    gendlich anmutige Gesicht verzerrt zum höhnenden Spott;
    etwas Entsetzliches, Grauenvolles regte sich in mir, wie ein
    alle Nerven durchzuckender Krampf. „O er spielt himmlisch!“
    lispelte eine durch süßen Tee begeisterte Demoiselle, und ich
    weiß selbst nicht, wie es kam, daß ihr Arm in dem meinigen
    hing und ich sie oder vielmehr sie mich in das Nebenzimmer
    führte. Berger ließ gerade den wildesten Orkan daherbrausen;
    wie donnernde Meereswellen stiegen und sanken die mächti-
    gen Akkorde, das tat mir wohl! — Da stand Julie neben mir
    und sprach mit süßerer, lieblicherer Stimme als je: „Ich wollte,
    du säßest am Flügel und sängest milder von vergangener Lust
    und Hoffnung!“ — Der Feind war von mir gewichen, und in
    dem einzigen Namen Julie! wollte ich alle Himmelsseligkeit
    aussprechen, die in mich gekommen. — Andere dazwischen-
    tretende Personen hatten sie aber von mir entfernt. — Sie
    vermied mich nun sichtlich, aber es gelang mir, bald ihr Kleid
    zu berühren, bald dicht bei ihr ihren Hauch einzuatmen, und
    mir ging in tausend blinkenden Farben die vergangene
    Frühlingszeit auf. — Berger hatte den Orkan ausbrausen las-
    sen, der Himmel war hell worden, wie kleine goldne Morgen-
    wölkchen zogen liebliche Melodien daher und verschwebten
    im Pianissimo. Dem Virtuosen wurde reichlich verdienter
    Beifall zuteil, die Gesellschaft wogte durcheinander, und so
    kam es, daß ich unversehens dicht vor Julien stand. Der Geist
    wurde mächtiger in mir, ich wollte sie festhalten, sie umfassen
    im wahnsinnigen Schmerz der Liebe, aber das verfluchte Ge-
    sicht eines geschäftigen Bedienten drängte sich zwischen

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