Die Abenteuer der Silvester-Nacht
fort. —
Nie war Giulietta liebenswürdiger gewesen, sie trug die-
selbe Kleidung als damals in dem Garten, sie strahlte in voller
Schönheit und jugendlicher Anmut. Erasmus hatte alles ver-
gessen, was er mit Friedrich gesprochen, mehr als je riß ihn
die höchste Wonne, das höchste Entzücken unwiderstehlich
hin, aber auch noch niemals hatte Giulietta so ohne allen
Rückhalt ihm ihre innigste Liebe merken lassen. Nur ihn
schien sie zu beachten, nur für ihn zu sein. — Auf einer Villa,
die Giulietta für den Sommer gemietet, sollte ein Fest gefeiert
werden. Man begab sich dahin. In der Gesellschaft befand sich
ein junger Italiener von recht häßlicher Gestalt und noch häß-
licheren Sitten, der bemühte sich viel um Giulietta und erregte
die Eifersucht des Erasmus, der voll Ingrimm sich von den an-
dern entfernte und einsam in einer Seitenallee des Gartens auf-
und abschlich. Giulietta suchte ihn auf. „Was ist dir? — bist du
denn nicht ganz mein?“ Damit umfing sie ihn mit den zarten
Armen und drückte einen Kuß auf seine Lippen. Feuerstrahlen
durchblitzten ihn, in rasender Liebeswut drückte er die Ge-
liebte an sich und rief: „Nein, ich lasse dich nicht, und sollte
ich untergehen im schmachvollsten Verderben!“ Giulietta lä-
chelte seltsam bei diesen Worten, und ihn traf jener sonder-
bare Blick, der ihm jederzeit innern Schauer erregte. Sie gin-
gen wieder zur Gesellschaft. Der widrige junge Italiener trat
jetzt in die Rolle des Erasmus; von Eifersucht getrieben, stieß
er allerlei spitze beleidigende Reden gegen Deutsche und ins-
besondere gegen Spikher aus. Der konnte es endlich nicht län-
ger ertragen; rasch schritt er auf den Italiener los. „Haltet ein“,
sprach er, „mit Euern nichtswürdigen Sticheleien auf Deutsche
und auf mich, sonst werfe ich Euch in jenen Teich, und Ihr
könnt Euch im Schwimmen versuchen.“ In dem Augenblick
blitzte ein Dolch in des Italieners Hand, da packte Erasmus
ihn wütend bei der Kehle und warf ihn nieder, ein kräftiger
Fußtritt ins Genick, und der Italiener gab röchelnd seinen
Geist auf. — Alles stürzte auf den Erasmus los, er war ohne
Besinnung — er fühlte sich ergriffen, fortgerissen. Als er wie
aus tiefer Betäubung erwachte, lag er in einem kleinen Kabi-
nett zu Giuliettas Füßen, die, das Haupt über ihn herabge-
beugt, ihn mit beiden Armen umfaßt hielt. „Du böser, böser
Deutscher,“ sprach sie unendlich sanft und mild, „welche Angst
hast du mir verursacht! Aus der nächsten Gefahr habe ich dich
errettet, aber nicht sicher bist du mehr in Florenz, in Italien.
Du mußt fort, du mußt mich, die dich so sehr liebt, verlassen.“
Der Gedanke der Trennung zerriß den Erasmus in namenlo-
sem Schmerz und Jammer. „Laß mich bleiben,“ schrie er, „ich
will ja gern den Tod leiden, heißt denn sterben mehr als leben
ohne dich?“ Da war es ihm, als rufe eine leise ferne Stimme
schmerzlich seinen Namen. Ach! es war die Stimme der from-
men deutschen Hausfrau. Erasmus verstummte, und auf ganz
seltsame Weise fragte Giulietta: „Du denkst wohl an dein
Weib? — Ach, Erasmus, du wirst mich nur zu bald verges-
sen.“ — „Könnte ich nur ewig und immerdar ganz dein sein“,
sprach Erasmus. Sie standen gerade vor dem schönen breiten
Spiegel, der in der Wand des Kabinetts angebracht war und an
dessen beiden Seiten helle Kerzen brannten. Fester, inniger
drückte Giulietta den Erasmus an sich, indem sie leise lispelte:
„Laß mir dein Spiegelbild, du innig Geliebter, es soll mein und
bei mir bleiben immerdar.“ — „Giulietta,“ rief Erasmus ganz
verwundert, „was meinst du denn? — mein Spiegelbild?“ — Er
sah dabei in den Spiegel, der ihn und Giulietta in süßer Liebes-
umarmung zurückwarf. „Wie kannst du denn mein Spiegel-
bild behalten,“ fuhr er fort, „das mit mir wandelt überall und
aus jedem klaren Wasser, aus jeder hellgeschliffenen Fläche
mir entgegentritt?“ — „Nicht einmal,“ sprach Giulietta, „nicht
einmal diesen Traum deines Ichs, wie er aus dem Spiegel her-
vorschimmert, gönnst du mir, der du sonst mein mit Leib und
Leben sein wolltest? Nicht einmal dein unstetes Bild soll bei
mir bleiben und mit mir wandeln durch das arme Leben, das
nun wohl, da du fliehst, ohne Lust und Liebe bleiben wird?“
Die heißen Tränen stürzten der Giulietta aus den schönen
dunklen Augen. Da rief Erasmus, wahnsinnig vor tötendem
Liebesschmerz: „Muß
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