Die Abenteuer der Silvester-Nacht
bedaure dich von
ganzem Herzen. Die Gewalt des Feindes ist sehr groß, und
wie er denn nun allen möglichen Lastern ergeben ist, so stiehlt
er auch sehr und hat dem Gelüst nicht widerstehen können,
dir dein schönes, vollkommen ähnliches Spiegelbild auf recht
hämische Weise zu entwenden. — Sieh doch einmal in jenen
Spiegel dort, lieber, guter Mann!“ — Spikher tat es, am gan-
zen Leibe zitternd, mit recht kläglicher Miene. Blank und klar
blieb der Spiegel, kein Erasmus Spikher schaute heraus. „Dies-
mal“, fuhr die Frau fort, „ist es recht gut, daß der Spiegel dein
Bild nicht zurückwirft, denn du siehst sehr albern aus, lieber
Erasmus. Begreifen wirst du aber übrigens wohl selbst, daß du
ohne Spiegelbild ein Spott der Leute bist und kein ordentli-
cher, vollständiger Familienvater sein kannst, der Respekt
einflößt der Frau und den Kindern. Rasmuschen lacht dich
auch schon aus und will dir nächstens einen Schnauzbart
malen mit Kohle, weil du das nicht bemerken kannst. Wandre
also nur noch ein bißchen in der Welt herum und suche gele-
gentlich dem Teufel dein Spiegelbild abzujagen. Hast du’s wie-
der, so sollst du mir recht herzlich willkommen sein. Küsse
mich, (Spikher tat es) und nun — glückliche Reise! Schicke
dem Rasmus dann und wann ein Paar neue Höschen, denn er
rutscht sehr auf den Knieen und braucht dergleichen viel.
Kommst du aber nach Nürnberg, so füge einen bunten Husa-
ren hinzu und einen Pfefferkuchen als liebender Vater. Lebe
recht wohl, lieber Erasmus!“ — Die Frau drehte sich auf die
andere Seite und schlief ein. Spikher hob den kleinen Rasmus
in die Höhe und drückte ihn ans Herz; der schrie aber sehr,
da setzte Spikher ihn wieder auf die Erde und ging in die weite
Welt. Er traf einmal auf einen gewissen Peter Schlemihl, der
hatte seine Schlagschatten verkauft; beide wollten Kompagnie
gehen, so daß Erasmus Spikher den nötigen Schlagschatten
werfen, Peter Schlemihl dagegen das gehörige Spiegelbild re-
flektieren sollte; es wurde aber nichts daraus.
Ende der Geschichte vom verlornen Spiegelbilde.
Postskript des reisenden Enthusiasten
Was schaut denn dort aus jenem Spiegel heraus? — Bin ich es
auch wirklich? — O Julie — Giulietta — Himmelsbild — Höl-
lengeist — Entzücken und Qual — Sehnsucht und Verzweif-
lung. — Du siehst, mein lieber Theodor Amadäus Hoffmann,
daß nur zu oft eine fremde dunkle Macht sichtbarlich in mein
Leben tritt und, den Schlaf um die besten Träume betrügend,
mir gar seltsame Gestalten in den Weg schiebt. Ganz erfüllt
von den Erscheinungen der Silvester-Nacht, glaube ich bei-
nahe, daß jener Justizrat wirklich von Dragant, sein Tee eine
Weihnachts- oder Neujahrsausstellung, die holde Julie aber
jenes verführerische Frauenbild von Rembrandt oder Callot
war, das den unglücklichen Erasmus Spikher um sein schönes
ähnliches Spiegelbild betrog. Vergib mir das!
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