Die Abenteuer der Silvester-Nacht
schnell eine, weil sie
an Giuliettas Halse gelegen, und bewahrte sie treulich. Die
zog er jetzt hervor, und, sie anstarrend, richtete er Sinn und
Gedanken auf die verlorne Geliebte. Da war es, als ginge aus
der Perle der magische Duft hervor, der ihn sonst umfloß in
Giuliettas Nähe. „Ach, Giulietta, dich nur noch ein einziges
Mal sehen und dann untergehen in Verderben und
Schmach.“ — Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als es
auf dem Gange vor der Tür leise zu rischeln und zu rascheln
begann. Er vernahm Fußtritte — es klopfte an die Tür des
Zimmers. Der Atem stockte dem Erasmus vor ahnender Angst
und Hoffnung. Er öffnete. Giulietta trat herein in hoher
Schönheit und Anmut. Wahnsinnig vor Liebe und Lust,
schloß er sie in seine Arme. „Nun bin ich da, mein Geliebter,“
sprach sie leise und sanft, „aber sieh, wie getreu ich dein Spie-
gelbild bewahrt!“ Sie zog das Tuch vom Spiegel herab, Eras-
mus sah mit Entzücken sein Bild, der Giulietta sich anschmie-
gend; unabhängig von ihm selbst warf es aber keine seiner
Bewegungen zurück. Schauer durchbebten den Erasmus.
„Giulietta,“ rief er, „soll ich denn rasend werden in der Liebe zu
dir? — Gib mir das Spiegelbild, nimm mich selbst mit Leib,
Leben und Seele.“ — „Es ist noch etwas zwischen uns, lieber
Erasmus,“ sprach Giulietta, „du weißt es — hat Dapertutto dir
nicht gesagt —“ „Um Gott, Giulietta,“ fiel Erasmus ein, „kann
ich nur auf diese Weise dein werden, so will ich lieber ster-
ben.“ — „Auch soll dich“, fuhr Giulietta fort, „Dapertutto
keineswegs verleiten zu solcher Tat. Schlimm ist es freilich,
daß ein Gelübde und ein Priestersegen nun einmal so viel ver-
mag, aber lösen mußt du das Band, was dich bindet, denn
sonst wirst du niemals gänzlich mein, und dazu gibt es ein
anderes, besseres Mittel, als Dapertutto vorgeschlagen.“ —
„Worin besteht das?“ fragte Erasmus heftig. Da schlang
Giulietta den Arm um seinen Nacken, und, den Kopf an seine
Brust gelehnt, lispelte sie leise: „Du schreibst auf ein kleines
Blättchen deinen Namen Erasmus Spikher unter die wenigen
Worte: ‚Ich gebe meinem guten Freunde Dapertutto Macht
über meine Frau und über mein Kind, daß er mit ihnen schalte
und walte nach Willkür, und löse das Band, das mich bindet,
weil ich fortan mit meinem Leibe und mit meiner unsterb-
lichen Seele angehören will der Giulietta, die ich mir zum
Weibe erkoren, und der ich mich noch durch ein besonderes
Gelübde auf immerdar verbinden werde.‘ “ Es rieselte und
zuckte dem Erasmus durch alle Nerven. Feuerküsse brannten
auf seinen Lippen, er hatte das Blättchen, das ihm Giulietta
gegeben, in der Hand. Riesengroß stand plötzlich Dapertutto
hinter Giulietta und reichte ihm eine metallene Feder. In dem
Augenblick sprang dem Erasmus ein Äderchen an der linken
Hand, und das Blut spritzte heraus. „Tunke ein, tunke ein —
schreib, schreib“, krächzte der Rote. — „Schreib, Schreib,
mein ewig, einzig Geliebter“, lispelte Giulietta. Schon hatte er
die Feder mit Blut gefüllt, er setzte zum Schreiben an — da
ging die Tür auf, eine weiße Gestalt trat herein, die gespen-
stisch starren Augen auf Erasmus gerichtet, rief sie schmerz-
voll und dumpf: „Erasmus, Erasmus, was beginnst du — um
des Heilandes willen, laß ab von gräßlicher Tat!“ — Erasmus,
in der warnenden Gestalt sein Weib erkennend, warf Blatt
und Feder weit von sich. — Funkelnde Blitze schossen aus
Giuliettas Augen, gräßlich verzerrt war das Gesicht, bren-
nende Glut ihr Körper. „Laß ab von mir, Höllengesindel, du
sollst keinen Teil haben an meiner Seele. In des Heilandes
Namen, hebe dich von mir hinweg, Schlange — die Hölle
glüht aus dir.“ — So schrie Erasmus und stieß mit kräftiger
Faust Giulietta, die ihn noch immer umschlungen hielt, zu-
rück. Da gellte und heulte es in schneidenden Mißtönen, und
es rauschte wie mit schwarzen Rabenfittichen im Zimmer
umher. — Giulietta — Dapertutto verschwanden im dicken
stinkenden Dampf, der wie aus den Wänden quoll, die Lichter
verlöschend. Endlich brachen die Strahlen des Morgenrots
durch die Fenster. Erasmus begab sich gleich zu seiner Frau.
Er fand sie ganz milde und sanftmütig. Der kleine Rasmus
saß schon ganz munter auf ihrem Bette; sie reichte dem er-
schöpften Mann die Hand, sprechend: „Ich weiß nun alles,
was dir in Italien Schlimmes begegnet, und
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