Die Abenteuer der Silvester-Nacht
welches denn eben sehr possierlich herauskam. Fried-
richs Donna ließ sich das, was Erasmus deutsch gesprochen,
in das Italienische übersetzen, dann wandte sie sich ernsten
Blickes zum Erasmus und sprach, mit aufgehobenem Finger
leise drohend: „Du kalter, kalter Deutscher! — verwahre dich
wohl, noch hast du Giulietta nicht gesehen!“
In dem Augenblick rauschte es beim Eingange des Bos-
ketts, und aus dunkler Nacht trat in den lichten Kerzenschim-
mer hinein ein wunderherrliches Frauenbild. Das weiße, Bu-
sen, Schultern und Nacken nur halb verhüllende Gewand, mit
bauschigen, bis an die Ellbogen streifenden Ärmeln, floß in
reichen breiten Falten herab, die Haare vorn an der Stirn ge-
scheitelt, hinten in vielen Flechten heraufgenestelt. — Goldene
Ketten um den Hals, reiche Armbänder, um die Handgelenke
geschlungen, vollendeten den altertümlichen Putz der Jung-
frau, die anzusehen war, als wandle ein Frauenbild von Ru-
bens oder dem zierlichen Mieris daher. „Giulietta!“ riefen die
Mädchen voll Erstaunen. Giulietta, deren Engelsschönheit
alle überstrahlte, sprach mit süßer lieblicher Stimme: „Laßt
mich doch teilnehmen an euerm schönen Fest, ihr wackern
deutschen Jünglinge. Ich will hin zu jenem dort, der unter
euch ist so ohne Lust und ohne Liebe.“ Damit wandelte sie in
hoher Anmut zum Erasmus und setzte sich auf den Sessel, der
neben ihm leer geblieben, da man vorausgesetzt hatte, daß
auch er eine Donna mitbringen werde. Die Mädchen lispel-
ten untereinander: „Seht, o seht, wie Giulietta heute wieder so
schön ist!“ und die Jünglinge sprachen: „Was ist denn das mit
dem Erasmus, er hat ja die Schönste gewonnen und uns nur
wohl verhöhnt?“
Dem Erasmus war bei dem ersten Blick, den er auf Giulietta
warf, so ganz besonders zumute geworden, daß er selbst nicht
wußte, was sich denn so gewaltsam in seinem Innern rege.
Als sie sich ihm näherte, faßte ihn eine fremde Gewalt und
drückte seine Brust zusammen, daß sein Atem stockte. Das
Auge fest geheftet auf Giulietta, mit erstarrten Lippen saß er
da und konnte kein Wort hervorbringen, als die Jünglinge
laut Giuliettas Anmut und Schönheit priesen. Giulietta nahm
einen vollgeschenkten Pokal und stand auf, ihn dem Erasmus
freundlich darreichend; der ergriff den Pokal, Giuliettas zarte
Finger leise berührend. Er trank, Glut strömte durch seine
Adern. Da fragte Giulietta scherzend: „Soll ich denn Eure
Donna sein?“ Aber Erasmus warf sich wie im Wahnsinn vor
Giulietta nieder, drückte ihre beiden Hände an seine Brust
und rief: „Ja, du bist es, dich habe ich geliebt immerdar, dich,
du Engelsbild! — Dich habe ich geschaut in meinen Träumen,
du bist mein Glück, meine Seligkeit, mein höheres Leben!“ —
Alle glaubten, der Wein sei dem Erasmus zu Kopf gestiegen,
denn so hatten sie ihn nie gesehen, er schien ein anderer wor-
den. „Ja, du — du bist mein Leben, du flammst in mir mit ver-
zehrender Glut. Laß mich untergehen — untergehen, nur in
dir, nur du will ich sein“, — so schrie Erasmus, aber Giulietta
nahm ihn sanft in die Arme; ruhiger geworden, setzte er sich
an ihre Seite, und bald begann wieder das heitre Liebesspiel
in munteren Scherzen und Liedern, das durch Giulietta und
Erasmus unterbrochen worden. Wenn Giulietta sang, war
es, als gingen aus tiefster Brust Himmelstöne hervor, nie
gekannte, nur geahnte Lust in allen entzündend. Ihre volle
wunderbare Kristallstimme trug eine geheimnisvolle Glut in
sich, die jedes Gemüt ganz und gar befing. Fester hielt jeder
Jüngling seine Donna umschlungen, und feuriger strahlte
Aug’ in Auge. Schon verkündete ein roter Schimmer den An-
bruch der Morgenröte, da riet Giulietta das Fest zu enden. Es
geschah. Erasmus schickte sich an, Giulietta zu begleiten, sie
schlug das ab und bezeichnete ihm das Haus, wo er sie künf-
tig finden könne. Während des deutschen Rundgesanges, den
die Jünglinge noch zum Beschluß des Festes anstimmten, war
Giulietta aus dem Boskett verschwunden; man sah sie hinter
zwei Bedienten, die mit Fackeln voranschritten, durch einen
fernen Laubgang wandeln. Erasmus wagte nicht, ihr zu folgen.
Die Jünglinge nahmen nun jeder seine Donna unter den Arm
und schritten in voller heller Lust von dannen. Ganz ver-
stört und im Innern zerrissen von Sehnsucht und Liebesqual,
folgte ihnen endlich Erasmus, dem sein kleiner Diener mit der
Fackel vorleuchtete. So ging er, da die
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