Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
dauerte hübsch lange, aber auch alles Schöne hat sein Ende. Es kam »Bereitschaft« und packte alles zusammen.
Schwejk schritt mit dem Stock, der vom Kommandanten der Bereitschaft als corpus delicti erklärt wurde, neben Woditschka.
Er schritt friedlich dahin, den Stock wie eine Flinte auf der Schulter.
Der alte Sappeur Woditschka schwieg den ganzen Weg über hartnäckig. Erst als sie die Hauptwache betraten, sagte er melancholisch zu Schwejk: »Hab ich dirs nicht gesagt, daß du die Magyaren nicht kennst?«
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Neue Leiden
Oberst Schröder beobachtete wohlgefällig das bleiche Gesicht Oberleutnant Lukaschs, der große Ringe unter den Augen hatte; in seiner Verlegenheit blickte der Oberleutnant nicht auf den Oberst, sondern schaute verstohlen, als studiere er etwas, auf den Plan der Dislokation der Mannschaft im Militärlager, der den einzigen Schmuck der Kanzlei des Obersten bildete.
Vor Oberst Schröder auf dem Tisch lagen einige Zeitungen und blau angestrichene Artikel, die der Oberst nochmals flüchtig überflog, worauf er Oberleutnant Lukasch anblickte und sagte: »Sie wissen also schon, daß sich Ihr Bursche Schwejk in Haft befindet und aller Wahrscheinlichkeit nach dem Divisionsgericht eingeliefert werden wird?«
»Jawohl, Herr Oberst.«
|394| »Damit«, sagte der Oberst nachdrücklich, indem er sich an dem bleichen Gesicht Oberleutnant Lukaschs weidete, »ist freilich die Angelegenheit nicht beendet. Es steht fest, daß die hiesige Öffentlichkeit durch den Vorfall mit Ihrem Burschen beunruhigt ist, und die Affäre wird auch mit Ihrem Namen in Zusammenhang gebracht, Herr Oberleutnant. Vom Divisionskommando wurde uns schon diverses Material eingesandt. Wir haben hier einige Zeitungen, die sich mit dem Fall beschäftigen. Sie können mir die Stellen laut vorlesen.«
Er reichte Oberleutnant Lukasch einige Zeitungen mit angestrichenen Artikeln, die dieser mit monotoner Stimme zu lesen begann, als lese er in einem Lesebuch den Satz: »Der Honig ist viel nahrhafter und leichter verdaulich als der Zucker.«
»WO LIEGT DIE GARANTIE FÜR UNSERE ZUKUNFT?«
»Ist das der ›Pester Lloyd‹?« fragte der Oberst.
»Jawohl, Herr Oberst«, antwortete Oberleutnant Lukasch und fuhr fort zu lesen: »Die Kriegführung erfordert die Mitarbeit aller Schichten der Bevölkerung der österreichisch-ungarischen Monarchie. Wenn wir den Staat gesichert wissen wollen, müssen alle Nationen einander gegenseitig unterstützen. Die Garantie unserer Zukunft liegt gerade in der spontanen Achtung, die eine Nation vor der andern empfindet. Die größten Opfer unserer wackeren Krieger in den Kampflinien, wo sie unaufhörlich vorrücken, wären nicht möglich, wenn das Hinterland, jene ernährende und politische Pulsader unserer siegreichen Armee, nicht einträchtig wäre, wenn im Rücken unserer Armee Elemente auftauchten, die die Einheit des Staates zertrümmern und mit ihrer Agitation und Böswilligkeit die Autorität der staatlichen Einheit untergraben und in den Bund der Völker unseres Reiches Verwirrung tragen würden. Wir können in diesem historischen Augenblick nicht ruhig auf eine Schar von Leuten blicken, die es aus lokalpatriotischen Gründen versuchen, die einheitliche Tätigkeit und den Kampf aller Nationen dieses Reiches um die gerechte Bestrafung jener Elenden zu stören, die unser Reich grundlos angefallen |395| haben und es aller Güter der Kultur und Zivilisation berauben wollen. Wir können diese abscheulichen Erscheinungen des Ausbruchs einer kranken Seele, die nur nach Auflösung der Eintracht in den Herzen der Nationen strebt, nicht mit Stillschweigen übergehen. Wir hatten bereits einigemal Gelegenheit, in unseren Spalten darauf hinzuweisen, daß die Militärgerichte gezwungen sind, mit aller Strenge gegen jene Individuen aus tschechischen Regimentern einzuschreiten, die, ohne der siegreichen Regimentstradition zu achten, mit ihrem unsinnigen Treiben in unseren magyarischen Städten Groll gegen die ganze tschechische Nation säen, die als Ganzes keine Schuld daran trägt und stets energisch für die Interessen dieses Reiches eingetreten ist, wovon eine ganze Reihe hervorragender tschechischer Heerführer zeugt, von denen wir an die berühmte Gestalt des Feldmarschalls Radetzky und andere Verteidiger der österreichisch-ungarischen Monarchie erinnern. Diesen lichten Erscheinungen stehen einige Nichtswürdige aus dem verkommenen tschechischen Mob gegenüber, die den Weltkrieg dazu benützen, um sich
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