Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk
Offiziere beim Herrn Obrscht redet. Das stellt sich der Herr Obrscht nur in seiner Phantasie vor, daß im Magazin Konserven sind. Das Magazin von |442| unserm Regiment hat nie nicht keine Konserven in Vorrat gehabt und hat sie von Fall zu Fall von der Brigade bekommen oder sich sie von andern Regimentern ausgeborgt, mit denen es im Verkehr getreten is. Dem Beneschauer Regiment allein sind wir über dreihundert Konserven schuldig. Cheche! Sie solln nur bei der Besprechung sagen, was sie wolln, nur keine Eile nicht! No, der Magazineur wird ihnen schon selbst sagen, bis die unsrigen hinkommen, daß sie verruckt geworn sind. Nicht eine Marschka hat Konserven aufn Weg bekommen.
Gelt, du alter Erdäpfel«, wandte er sich an den Stabsfeldwebel. Der aber war entweder im Einschlafen begriffen oder bekam einen kleinen Anfall von Delirium, denn er erwiderte:
»Wie sie schritt, hielt sie einen offenen Regenschirm über sich.«
»Am besten machen Sie«, fuhr Rechnungsfeldwebel Wanĕk fort, »wenn Sie alles schwimmen lassen. Wenn man heut in der Regimentskanzlei gesagt hat, daß man morgen fährt, so darfs nicht mal ein kleines Kind glauben. Können wir ohne Waggons fahren? Während ich noch dort war, hat man aufn Bahnhof telefoniert. Sie ham dort nicht einen leeren Waggon. Mit der vorigen Marschka wars dasselbe. Wir sind damals zwei Tage am Bahnhof gestanden und ham gewartet, bis sich unser jemand erbarmt und einen Zug um uns schickt. Und nachher hamr nicht gewußt, wohin wir fahren. Nicht mal der Obrscht hats gewußt, wir sind dann schon durch ganz Ungarn gefahren, und fort hat niemand nix gewußt, ob wir nach Serbien oder nach Rußland fahren. Auf jeder Station hat man direkt mitn Divisionsstab gesprochen. Und wir waren nur so ein Flicklappen. Schließlich hat man uns bei Dukla angenäht, dort hat man uns zerdroschen, und wir sind uns neu formieren gefahren. Nur keine Hast nicht. Alles wird sich mit der Zeit aufklären, und auf nichts muß man eilen. Jawohl, noch amol.
Wein hams hier heut einen ungewöhnlich guten«, fuhr Wanĕk fort, ohne auch nur darauf zu hören, wie der Stabsfeldwebel vor sich hin plapperte: »Glauben Sie mir, ich hab bisher wenig von meinem Leben gehabt. Ich wundere mich über diese Frage.«
»Wozu sollt ich mir unnütze Sorgen mit der Abfahrt vom |443| Marschbataillon machen. Nämlich bei der ersten Marschka, mit der ich gefahren bin, war alles in zwei Stunden in bester Ordnung. Bei den andern Marschkompanien von unserm damaligen Marschbataillon ham sie sich drauf schon ganze zwei Tage vorbereitet. Aber bei uns war Lajtnant Přenosil Kompaniekommandant, ein sehr fescher Kerl, und der hat uns gesagt: ›Habts keine Eile nicht, Jungens‹, und es is gegangen wie geschmiert. Zwei Stunden vor der Abfahrt vom Zug hamr erst angefangen zu packen. Sie wern gut machen, wenn Sie sich auch erst setzen wern …«
»Ich kann nicht«, sagte mit fürchterlicher Selbstverleugnung der brave Soldat Schwejk, »ich muß in die Kanzlei, was, wenn jemand telefonieren möcht.«
»Gehn Sie also, mein Gold, aber merken Sie sich Ihr ganzes Leben lang, daß das nicht hübsch von Ihnen is und daß eine richtige Ordonnanz nie dort sein darf, wo man sie braucht. Sie dürfen sich nicht gar so eifrig in den Dienst stürzen. Es gibt wirklich nichts Scheußlicheres als eine meschuggene Ordonnanz, was das Militär fressen möcht, Seelchen, liebes.«
Aber Schwejk war bereits aus der Tür und eilte in die Kanzlei seiner Marschkompanie.
Wanĕk blieb verlassen zurück, denn man kann unmöglich behaupten, daß ihm der Stabsfeldwebel Gesellschaft geleistet hätte.
Der machte sich vollständig selbständig und lallte, die Weinflasche streichelnd, auf deutsch und tschechisch höchst sonderbare Dinge ohne jeden Zusammenhang: »Oft bin ich durch dieses Dorf gegangen und hatte nicht einmal eine Ahnung davon, daß es auf der Welt ist. In einem halben Jahr habe ich meine Staatsprüfung hinter mir und meinen Doktor gemacht. Aus mir ist ein alter Krüppel geworden, ich danke Ihnen, Luzi. Erscheinen Sie in schön ausgestatteten Bänden – vielleicht ist hier jemand unter Ihnen, der sich nicht daran erinnert.«
Der Rechnungsfeldwebel trommelte aus Langeweile irgendeinen Marsch; aber er mußte sich nicht lange langweilen, denn die Tür öffnete sich, und herein trat Jurajda, der Koch aus der Offiziersmenage, und sank auf einen Stuhl.
|444| »Wir ham heut«, plapperte er, »Befehl bekommen, aufn Weg Kognak fassen zu gehn. Weil wir keine
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