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Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk

Titel: Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Hasek
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Korbflasche vom Rum leer gehabt ham, ham wir sie ausleeren müssen. Das hat uns gegeben! Die Mannschaft bei der Küche hats ganz umgeworfen. Ich hab mich um paar Portionen verrechnet. Der Herr Oberst ist spät gekommen, und auf ihn ist nichts gekommen. So machen sie ihm dort jetzt eine Omelette. Das ist euch eine Hetz.«
    »Das ist ein nettes Abenteuer«, bemerkte Wanĕk, dem beim Wein hübsche Worte immer sehr gut gefielen.
    Koch Jurajda fing an zu philosophieren, was tatsächlich seiner früheren Beschäftigung entsprach. Er hatte nämlich vor dem Krieg eine okkultistische Zeitschrift und die Bibliothek »Rätsel des Lebens und des Todes« herausgegeben.
    Im Krieg hatte er sich in die Offiziersküche des Regiments gedrückt und ließ sehr häufig einen Braten anbrennen, wenn er sich in die Lektüre von Übersetzungen der altindischen »Sû ter Pragûa-Paramita« (Offenbarte Weisheit) vertiefte.
    Oberst Schröder schätzte ihn als ein Original des Regiments, denn welche Offiziersküche konnte sich eines Okkultisten als Koch rühmen, der, in die Rätsel des Lebens und des Todes blickend, mit einem so guten Lungenbraten oder so einem Ragout überraschte, daß der bei Komarow tödlich verwundete Leutnant Dufek ununterbrochen nach Jurajda verlangt hatte.
    »Ja«, sagte von nichts und wieder nichts Jurajda, der sich kaum auf dem Stuhl hielt und nach zehn Runden Rum roch, »wie heut nichts aufn Herrn Oberst gekommen ist und wie er nur geröstete Erdäpfel gesehn hat, is er in den Stand der Gaki verfallen. Wißt ihr, was das ist, Gaki? Das ist der Stand hungriger Geister. Ich hab gesagt: ›Haben Sie, Herr Oberst, Kraft genug, die Bestimmung des Schicksals zu überwinden, daß kein Nierenbraten auf Sie gekommen ist? Im Karma ist bestimmt, daß Sie, Herr Oberst, heut zum Nachtmahl eine fabelhafte Omelette mit gekochter und gedünsteter Kalbsleber bekommen.‹
    Lieber Freund«, sagte er nach einer Weile leise zum Rechnungsfeldwebel, wobei er unwillkürlich eine Handbewegung |445| machte, mit der er alle Gläser umwarf, die vor ihm auf dem Tisch standen.
    »Alle Erscheinungen, Gestalten und Dinge sind wesenlos«, meinte nach dieser Tat melancholisch der Koch-Okkultist. »Die Gestalt ist Wesenlosigkeit und die Wesenlosigkeit ist Gestalt. Die Wesenlosigkeit ist nicht verschieden von der Gestalt, die Gestalt ist nicht verschieden von der Wesenlosigkeit. Was Wesenlosigkeit ist, ist Gestalt, was Gestalt ist, ist Wesenlosigkeit.«
    Der Koch-Okkultist hüllte sich in Schweigen, stützte den Kopf auf die Hand und schaute auf den nassen, begossenen Tisch.
    Der Stabsfeldwebel fuhr fort, etwas zu plappern, was weder Hand noch Fuß hatte: »Das Getreide is vom Feld verschwunden, verschwunden – in dieser Stimmung erhielt er eine Einladung und ging zu ihr – die Pfingstfeiertage sind im Frühling.«
    Rechnungsfeldwebel Wanĕk trommelte ununterbrochen auf den Tisch, trank und erinnerte sich ab und zu, daß zehn Mann mit dem Zugführer beim Magazin auf ihn warteten.
    Bei diesem Gedanken lachte er jedesmal vor sich hin und winkte mit der Hand.
    Als er spät in die Kanzlei der 11. Marschkompanie zurückkehrte, fand er Schwejk am Telefon.
    »Die Gestalt is Wesenlosigkeit und die Wesenlosigkeit is Gestalt«, stieß er aus sich heraus, kroch angezogen aufs Kavallett und schlief sofort ein.
    Und Schwejk saß fortwährend am Telefon, denn vor zwei Stunden hatte Oberleutnant Lukasch mit ihm gesprochen und hatte ihm gesagt, daß er noch immer bei einer Besprechung beim Herrn Oberst sei, hatte aber vergessen hinzuzufügen, daß Schwejk vom Telefon weggehen könne.
    Dann rief ihn Zugführer Fuchs an, der die ganze Zeit hindurch mit zehn Mann nicht nur vergeblich auf den Rechnungsfeldwebel wartete, sondern sogar sah, daß das Magazin versperrt war.
    Schließlich ging er fort, und die zehn Mann kehrten einer nach dem andern in ihre Baracken zurück.
    |446| Zeitweilig unterhielt sich Schwejk damit, den Hörer zu ergreifen und zu lauschen. Es war ein Telefon nach irgendeinem neuen System, das gerade bei der Armee eingeführt wurde und den Vorteil hatte, daß man ziemlich klar und deutlich fremde Telefongespräche auf der ganzen Linie vernehmen konnte.
    Der Train und die Artilleriekasernen beschimpften einander, die Sappeure drohten der Kriegspost, die Artillerieschießstätte brummte die Maschinengewehrabteilung an.
    Und Schwejk saß fortwährend am Telefon.
    Die Beratung beim Oberst zog sich in die Länge.
    Oberst Schröder entwickelte die neueste

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