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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Frau auf der Farm nur erschlagen hätten, ohne es auf ihr Geld abzusehen, einfach nur erschlagen, weil sie auf einmal Lust gehabt hätten, jemanden zu erschlagen, in diesem Fall wären sie nicht fünfundzwanzig Jahre eingesperrt worden, sondern höchstens zwanzig oder nur fünfzehn. Sie hatten 76 australische Dollar erbeutet, und wegen Geld einen Menschen auszulöschen sei verwerflicher, als es rein des Auslöschens wegen zu tun. Ich schob auch meinen Schlüsselbund in den Gully und meine Geldbörse, zerriss den Fahrtausweis für den Bus und streute die Schnipsel darüber. Ich zerriss auch meinen Personalausweis, das Foto zerrieb ich mit dem Schuh, bis nur feuchte Krümel übrig waren, die niemand vom Straßendreck unterscheiden konnte, die Ausweisfetzen steckte ich in den Mund und schluckte sie hinunter.
    Als ich noch nicht in der Schule war, hatte mich mein Vater zur Hochzeit seiner Cousine Sofia nach Esztergom mitgenommen. Sie wollte unbedingt in der Basilika heiraten, weil dort auch ihre Großmutter geheiratet hatte. Verwandtschaft aus Štúrovo, vom tschechoslowakischen Ufer der Donau, wurde erwartet, ein Dutzend Ausreisegenehmigungen war bereits seit einem Jahr beantragt worden. Wir fuhren aber nicht mit der Eisenbahn, wie mein Vater Moma versprochen und wofür sie ihm Geld gegeben hatte, sondern erst mit der Straßenbahn bis ans Ende von Budapest, und von dort gingen wir zu Fuß an der Landstraße entlang. Mein Vater versuchte, mir die Zeit zu verkürzen, indem er mir jeden Baum und Strauch erklärte, an dem wir vorüberkamen, die Namen nannte, die Besonderheiten aufzählte und mich abprüfte, wie er wusste, dass ich es gerne hatte. Er winkte mit den Armen, wenn ein Auto kam, damit es anhielte und uns mitnähme. Wir gingen den ganzen Tag, wir kamen durch Péterhegy und Ürön und durch Pilisborosjenö, und es wurde dunkel, und schon waren wir in die Nacht hineingeraten und kein Auto hatte angehalten, und ich hatte gedacht, wir kehren nie wieder heim.
    Es bereitete mir inzwischen größte Mühe, die Füße zu bewegen, und es fiel mir immer schwerer, je weiter ich ging. In meinem linken Auge erlosch das Licht in sanfter Geschwindigkeit, und mein linkes Ohr verschloss sich, bald hörte ich dort keinen Ton mehr. Vielleicht war zu meiner Linken das Reich der Toten, und ich ging an der Grenze entlang. Auch meine Stimme folgte mir nicht mehr, sie gab unaufgefordert Laute von sich, wie ich sie nie gehört hatte, und ich war beunruhigt deswegen, weil ich glaubte, darin Worte unterscheiden zu können, und mir kam auch vor, dass meine Stimme zornig klang, ich war aber nicht zornig, kein bisschen zornig war ich. Er wollte Leif Lundin besuchen. Er glaubte, sein Freund sei bereits aus St. Moritz zurück. Er sah Licht im Haus und klingelte. Aber niemand öffnete ihm. Er kletterte über das Tor. Dazu hatte ihn Herr Lundin aufgefordert, falls man sein Klingeln im Haus nicht bemerkte. Die Haustür stand offen. Er hörte Stimmen. Laute Stimmen. Es waren Frau Lundin und ihre Hausangestellte Bebe. Die beiden hatten Streit. Einen heftigen Streit. Frau Lundin schrie, Bebe sei eine dumme Gans, die nicht einen Gedanken in ihrem Spatzenhirn habe. Von da an weiß er nichts mehr. Er weiß erst wieder, dass er Frau Lundin erschossen hat. Wie es dazu gekommen war, weiß er nicht. Wem die Waffe gehörte, weiß er nicht. Warum er keinen Personalausweis und keinen Fahrtausweis bei sich hatte, obwohl er mit dem Bus über die Grenze gefahren war? Nein, er weiß nicht, wo die Sachen hingekommen sein könnten. Er hatte diese beiden Ausweise immer bei sich.
    Der Mann stand immer noch unter der Laterne und blickte mir nach. Ich winkte ihm, und er winkte zurück. Er holte weit aus mit seinem Arm, wie es mein Vater auf der Straße nach Esztergom getan hatte. Mir war kalt, besonders kalt an meiner blutigen Seite. Als wehte ein Eiswind durch meinen Mantel und meine Rippen und unter dem Schlüsselbein hindurch und ziehe die warme Luft aus meinen Lungen ab und nähme sie mit sich fort.
     

2
     
    Zwei Beamte waren auf der Wachstube, ein junger mit einem blassen breiten Gesicht und nach oben gekrümmten Mundwinkeln und ein älterer, der auch bei der Hitze, die im Büro herrschte, seine Mütze auf dem Kopf behielt.
    Ich sagte: »Ich habe einen Mord begangen.« Und ging in die Knie und fiel nach vorne und landete in Länge vor ihnen auf dem schmutzigen Parkett, und die Beine fingen mir an zu zittern.
    Der ältere Beamte zupfte mir mit spitzen Fingern die

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