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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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und einst das Wochenendhaus ihrer Eltern gewesen. Sie setzte selbstverständlich voraus, dass sie von ihrem Mann vorgestellt worden war. Er nannte sie Marithér, was wohl eine Abkürzung von Maria Theresia war. Sie war mir sympathisch. Ich ihr auch. Und sie tat mir nicht leid, wie ich befürchtet hatte. Mir dämmerte, dass ich von ihrem Mann oft genug als Alibi benutzt worden war. Ich war sein bester Freund. Ein später Freund, aber sein bester Freund, aufgetaucht aus dem Nichts. Ein väterlicher Freund, ich war schließlich zwanzig Jahre älter als er. Ich glaube, Frau Manger war der Meinung, ihrem Mann tue ein väterlicher Freund wohl; und war auch der Meinung, meine Kauzigkeit (die sie sich nur aus den Erzählungen ihres Mannes zusammengebastelt haben konnte) bewahre ihn vor allzu selbstloser Hingabe; wozu er neigte, wie sie wissen musste. Und als hätte sie meine Gedanken gesehen oder gehört, sagte sie: Reine Mädchenfreundschaften habe sie bei Frauen ihres Alters nie beobachten können, reine Bubenfreundschaften bei Männern schon.
    Was sie damit meine, fragte ich.
    »Gert hat mir erzählt, wie Sie mit ihm gestern Nacht einen Diskurs über den Sternenhimmel geführt haben. In pubertäre Entzückung war er geraten.«
    Manger blickte mir gerade ins Gesicht. Ein guter Lügner ist ein guter Stratege und ein guter Komponist. Er muss die Hauptgeschichte kennen, darf ihr aber nicht alles geben. Ohne Nebenhandlungen keine Hauptgeschichte. Manchmal muss er den Eindruck vermitteln, ein schlechter Erzähler zu sein, der zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem nicht unterscheiden kann. Aus unerfindlichen Gründen schließen die meisten Menschen von Ungeschicklichkeit auf Ehrlichkeit. – Eine Geliebte würde ihm seine Frau wahrscheinlich verzeihen, einen Geliebten nicht. Irgendwann wird er die Geliebte preisgeben, um den Verdacht auf sie abzulenken. Vielleicht war ich auch ein Teil des Ablenkungsmanövers – die reine Bubenfreundschaft. Frau Manger hatte keine Ahnung von Buben.
    »Die Sterne, die Sterne haben leider keine …«, sie wusste nicht, was sie sagen wollte, oder es war ihr entfallen.
    »… leider keine BVD/MD, gegen die man wacker animpfen könnte«, ergänzte ihr Mann, bemüht witzig.
    Bei unserem Nachtspaziergang durch den Prater hatte der Himmel aufgeklart, und der von dem Gott verwundete Mann neben mir war in Ausrufe ausgebrochen, das Sternenfirmament sei sein Leben lang ein Trost für ihn gewesen oder Ähnliches und ob ich je das Kreuz des Südens gesehen hätte oder das Nordlicht, woraus ich fälschlicherweise geschlossen hatte, dass er wenigstens die Namen der Sterne des Orion wusste, der sich über das südliche Segment spannte.
    »Gert kennt sich wirklich blendend bei den Sternen aus«, log ich und gab ihr damit zu verstehen, dass ich ihn nicht gering schätzte, und ihm, dass er sich auf mich verlassen könne.
    »Nur Wissenschaftler und Buben kennen sich ›blendend‹ bei Sternen aus«, sagte sie.
    Ihr Blick traf auf meinen, und sie wurde ernst; weil sie meinen Ernst sah und weil sie sonst noch einiges zu sehen glaubte, und ich sah ebenfalls einiges. Ein bisschen fragte sie mich aus, mehr aus Höflichkeit denn aus Neugierde. Ich sagte die Wahrheit, dass ich erst seit einem Monat wieder in Wien sei, dass ich beabsichtige, über den Winter zu bleiben, und dass ich eine kleine Wohnung suche.
    Sie war nun sehr verlegen, wich meinem Blick aus. Ihre Verlegenheit war echt.
    Ich habe in meinem Leben immerhin ein paar Leute kennen gelernt, denen der Gott erschienen ist – oder einer seiner Abgesandten – oder der Teufel erschienen ist – oder einer seiner Abgesandten. Ob es ihnen genützt oder geschadet hat, weiß ich nicht. Allen fiel es schwer, darüber zu sprechen. Denn sobald sie ein Wort dafür fanden, glaubten sie auch schon nicht mehr daran. Manche kontaktierten einen Psychiater, sagten dem aber nicht die Wahrheit, indem sie zwar den Zustand beschrieben, der ihnen zusetzte, den Gott, den Teufel oder deren Abgesandte aber davon subtrahierten. Und ich habe in meinem Leben ein paar Mörder kennen gelernt – nicht nur im Gefängnis.
    Plötzlich griff sie nach der Hand ihres Mannes, erschrak über ihre eigene Geste. Das Erschrecken aber war nicht mehr echt. »Du bist genau genommen eh nie dort«, sagte sie, wobei sie flüsterte. Er habe auch schon daran gedacht, flüsterte er – ebenso demonstrativ – zurück.
    So kam es, dass ich, keine Stunde nachdem ich das Haus der Mangers betreten hatte, den

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