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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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empfohlen hat, der ja schließlich auch einer von uns ist!
    Ich knöpfte den Mantelkragen um den Nacken, ein eisiger Wind blies durch den Wald herauf, und ich sagte: »Die Welt ist banal. Es gibt keinen Gott. Was Sie im Dom erlebt haben, war ein Blutdruckabfall oder eine besonders heftige Extrasystole oder eine von den hinterhältigen Panikattacken, wie sie nach Herzoperationen nicht selten sind. Alle sogenannten Gottesbeweise sind widerlegt worden. Es gibt ihn nicht. Er kann unser Leben nicht verändern. Wir müssen ihn nicht fürchten, und wir müssen ihn nicht lieben. Er kümmert sich nicht um uns, und wir brauchen uns nicht um ihn zu kümmern. Begegnung mit Gott ist Mangel an Gesundheit. Sind Sie nicht heilfroh darüber?«
    »Sie haben keinen Herzinfarkt gehabt«, sagte er nur.
    Hätte ich ihm erzählen sollen, wie ich Dr. Wolfram bei seinem Infarkt im Stadtpark zur Seite gestanden und er mich in die Mittwochabendgruppe eingeführt und durchgesetzt hatte, dass ich als einzig Nichtbetroffener aufgenommen wurde; und dass er mich bis heute für seinen Schutzengel hält – und zwar nicht in einem übertragenen Sinn (was bei einem Sozialdemokraten eine bemerkenswerte Leistung ist, finde ich)? Ich hatte kein Interesse, einen eifersüchtigen Tierarzt durch den Lainzer Tiergarten zurück zu seinem Auto zu begleiten und stumm neben ihm zu sitzen, bis er mich bei der nächsten U-Bahn-Station ablädt. Dr. Wolfram ist inzwischen vom Staatssekretär zum Minister aufgestiegen. Seither hat er keine Zeit mehr, am Mittwochabend im Wickerl herumzuhocken. Mich allerdings trifft er zwei Mal in der Woche zum Frühstück; er lädt mich in die Radetzkystraße in sein Büro ein, wohin uns sein Chauffeur frische Semmeln und Kipferln bringt, früh um halb sieben, für mich außerdem eine Pfanne mit Ham & Eggs mit viel Schnittlauch und in Butter schwimmend, keine Ahnung, wo er die auftreibt. Dr. Wolfram ist für die Gesundheit in unserer Republik verantwortlich (also auch für meine). Vom Bundeskanzler vor die Wahl gestellt, entweder das Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie oder das Gesundheitsressort zu übernehmen, habe er sich, auch aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Infarkt, für letzteres entschieden – und gibt mir damit zu verstehen, dass er weiter unerschütterliches Vertrauen in seinen Schutzengel hat; sonst hätte er nicht bereits nach einem Monat seit dem Ereignis ja zu diesem Karrieresprung gesagt. Zugleich aber sollte ich wissen, dass er meine Zuständigkeit als eine begrenzte sieht.
    »Was fehlt?«, fragte Manger.
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
    »Was ich Ihnen noch nicht über mich erzählt habe.« Er selbst gab die Antwort: Dass er erst vor kurzem eine winzige, aber sehr hübsche Wohnung im 1. Bezirk gemietet habe und sich dort manchmal mit seiner Geliebten treffe – mit seinem Geliebten nicht, sie bevorzugten ein Schwulenhotel am Währinger Gürtel, dessen Atmosphäre sie in eine andere Welt versetze, und das sei ihnen beiden recht.
    »Ich suche auch etwas zu mieten«, sagte ich.
    »Soll ich mich umhören?«, fragte er begeistert.
    »Wenn es Ihnen keine Umstände macht.«
    »Nein, gar nicht. Ein Tierarzt kennt fast nur Leute, die ihm gern einen Gefallen tun. Ist es dringend?«
    »Einigermaßen.« Bevor der Winter kommt, hätte ich dazusagen können.
    »Wie groß?«
    »Muss nicht groß sein. Zwei Zimmer. Ein Zimmer.«
    »Eher ein Büro? Sie wollen ein Büro. Schlicht oder repräsentativ?«
    »Schlicht.«
    Wir rafften unsere Mäntel um uns und setzten uns vor der Hubertuswarte auf eine Bank.
    »Und sonst weiß ich nichts über Sie«, sagte er, nachdem er mich lange angesehen hatte. »Außer, dass sie ein schlichtes Büro suchen. Zu welchem Zweck auch immer. Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder? Ich weiß nicht einmal, was Sie von Beruf sind. Wie alt sind Sie? Nur dass Sie ein schlichtes Büro suchen und dass Sie keinen Herzinfarkt gehabt haben, weiß ich.«
    Ich schwieg – mit dem Risiko, ihm nun noch kostbarer zu erscheinen.
    »Sehen Sie doch!«, sagte ich.
    Auf der anderen Seite des Weges lauerte eine Katze neben dem Stamm einer Buche, ein grauer Tiger. Sie hatte uns ihr Gesicht zugewandt, zeigte aber kein Interesse an zwei Gottespilgern. Ihre Augen blinkten gelb. Nur wenig Bewegung ging durch ihren Köper. Die Ohren waren spitz aufgestellt, das Licht, das zwischen den Bäumen hindurchschien, schimmerte darin und färbte die Haut wie Porzellan. In ihrer Haltung und ihrem Gesicht war ein Ernst,

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