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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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keine gröberen Probleme, keine jedenfalls, die von der Schwester nicht ausgebügelt werden konnten. Der Bruder verbot ihm, sich im Büro mit dem elektrischen Rasierapparat zu rasieren. Nichts wirke abstoßender auf die Kundschaft.
    Der Schwager kaufte sich ein Motorrad und hatte plötzlich eine Menge Freunde. Die wollten ihre Maschinen günstiger repariert und gewartet haben. Auch das war lange Zeit kein größeres Problem. Es gab viel Anlass für Feste. Viele Freunde, viele Geburtstage. Die Schwester trank nun auch während der Woche.
    Wenn die Schwester betrunken war, benahm sie sich widerlich, fand der Bruder. Und der Schwager fand das auch. Bald war sie nur noch betrunken. Der Schwager sagte: Jemanden, der sich so benimmt, den muss man behandeln wie jemanden, der sich so benimmt. Und so behandelte er sie. Er verlieh sie an einen seiner Kumpane weiter. Und er schlug sie und gab ihr böse Namen. Der Kumpan tat das Gleiche.
    Der Bruder knöpfte sich die beiden vor, denn er meinte, er müsse für seine Schwester Sorge tragen. Die beiden ließen sich nichts sagen, sie gingen auf ihn los, beschimpften ihn, schlugen ihn. Er nahm den Schwager in den Schwitzkasten und schleuderte seinen Körper hinter sich hin und her, bis das Genick abriss. Den Kumpanen trat er in den Bauch und schlug seinen Kopf auf den Asphalt.
    Der Anwalt plädierte auf Notwehr und Körperverletzung mit Todesfolge. Die beiden aber waren so entsetzlich zugerichtet, dass der Richter und die Geschworenen dem Staatsanwalt folgten, der auf Mord erkannte, und zwar mit einer Grausamkeit durchgeführt, die in dieser Gegend einmalig sei, wie weit man in der Geschichte auch zurückblicke.
    Er wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
     

9
     
    Eines Nachmittags, der Zellenvater war noch immer in der Krankenstation, hatte der Adlatus einen VW-Bus in Arbeit und musste sich beeilen, weil der Kunde ungeduldig war und sich bereits beschwert hatte. Er fragte, ob ich ihm beim Einbau des neuen Auspuffs behilflich sein könnte. Als ich mich niederbeugte, um mich auf die Rollplatte zu legen, schüttete er mir Altöl über den Kopf und sich selbst auch gleich und rief, bevor ich auf den Beinen war, den Wärter und bat ihn, ob wir beide früher als gewöhnlich duschen dürften. Wir bekamen eine Extraportion Seife und einen Eimer Gesteinsmehl, mit dem wir uns die Haut abrieben, außerdem den Schlüssel für den Wasserspender, mit Hilfe dessen wir, so lange wir wollten, warmes Wasser hatten. Zum Duschen begleitete uns wie immer einer der Wachbeamten. Diesmal der, der immer grinste, wenn er mich gemeinsam mit dem Adlatus sah, der gewisse. Unsere Kleider mussten entsorgt werden, wir bekamen neue ausgegeben. Zufällig waren es nicht alte aufgekochte, sondern wirklich neue, fabrikneue. Am Ende der Prozedur waren wir sauber und frisch wie schon lange nicht. Der Wärter meinte, es rentiere sich nicht mehr, zur Arbeit zurückzukehren, andere müssten weitermachen, und führte uns in die Zelle. Ich sagte, ich wolle nicht in die Zelle, ich sträubte mich dagegen, ich schrie. Ich schrie, der Adlatus wolle mich umbringen. Der Wärter zog mir den Gummiknüppel über die Schulter und schlug mir in den Nacken und in die Kniekehlen, so dass ich niederfiel, und gemeinsam mit dem Adlatus hob er mich hoch, und sie stießen mich in die Zelle, und der Wärter schloss hinter uns ab. Der Adlatus brachte mich unter sich, ich lag mit dem Gesicht zum Fußboden, er stellte das eine Knie auf meinen Nacken, das andere in mein Kreuz. Er riss mir die fabrikneuen Kleider herunter, legte sich auf mich, drückte mit der einen Hand meinen Nacken nach unten und umklammerte mit den Fingern der anderen meinen Kehlkopf.
    Als die Spanier kamen, saß er am Tisch und nähte einen Knopf an seiner Jacke an. Ich war auf dem Klo. Den Vorhang vorgezogen, blieb ich dort sitzen bis Lichtaus.
     
    In der Nacht weckte ich den Adlatus und bedeutete ihm, dass ich eine Zigarette rauchen wolle. Wir stellten uns auf den Tisch.
    Er gab mir Feuer und hielt die Flamme vor mein Gesicht. »Tgei bi che ti eis!«, flüsterte er.
    »Darf ich etwas sagen?«, flüsterte ich zurück – was mir im Hals weh tat, ich hatte Sorge, dass in meinem Kehlkopf etwas gebrochen oder verschoben war.
    »Tgei bi che ti eis«, wiederholte er. Ich wollte nicht wissen, was es hieß. Der Wolf versteht den Fuchs ja auch nicht und umgekehrt.
    Einmal, ebenfalls nachts, am Beginn meiner Zeit war das gewesen, waren Quique Jiménez und ich hier auf dem Tisch

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