Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)
mir, komm, Mäcki«, neckte ich. »Was für eine Hilfe könntest du mir geben?«
»Wenn du eine Braut brauchst. Nur ein Beispiel.«
»Und weiter?«
»Oder wenn du eine Braut nicht mehr brauchst.«
»Und noch?«
»Weißt du eigentlich, wie viele Neger in Wien leben? Mehr! Viel mehr! Die drängen aus dem schwarzen Kontinent herauf, ficken unsere Frauen, schlagen unsere Männer mit ihren Riesenschwänzen tot, bildlich gesprochen. Du gehst friedlich in der Nacht über die Praterallee. Ist es verboten, friedlich in der Nacht über die Praterallee zu gehen? Bitte, zeig mir den Paragraphen! Also! Es ist dein verbrieftes Recht, in der Nacht friedlich über die Praterallee zu gehen, wenn du das willst. Das ist Demokratie und Republik. Und plötzlich hörst du etwas. Der Mond scheint, du hörst etwas, aber du siehst nichts, trotzdem der Mond scheint. Wie gibt’s das? Zauberei? Es redet, wie wenn ein Gummihund knurrt, aber du siehst nichts. Du drehst dich dahin, drehst dich dorthin. Nichts. Das ist der Neger in der Nacht. Da muss man Licht machen. Das kannst du auf konventionelle Art mit einer Taschenlampe tun. Dann weiß der Feind, wo du dich befindest. Besser ist, du hast etwas, das knallt. Aber ich seh schon, little Joe, eine Puffen hast du nicht nötig. Doch eher eine Braut. Hab ich recht? Lass es mich wissen, Joe! Ich zeig dir Fotos.«
Man konnte im Nachtcafé Vera ein »Zack-Zack Spezial« bestellen, das war ein Steak mit einer geschmolzenen orange-gelben Scheibe Texaskäse, einem Spiegelei, Pommes frites, zwei gerösteten Paprikascheiben und zwei Birnenspalten aus dem Glas. Mir schmeckte das. Vera, die Besitzerin, bat mich, ich solle bei ihr an der Bar essen. Sie war eine große, scharfschultrige Frau um die fünfzig, schwarzhaarig, Flaum auf der Oberlippe, auch sie sorgte sich um mich. Ich solle Mäcki nicht ernst nehmen, sagte sie, er sei ein guter, hilfsbereiter Haberer mit einer etwas zu groß geratenen Goschen, der zu viele amerikanische Spielfilme gesehen habe.
Die Gäste, die bis zwei Uhr in der Nacht durchhielten, bekamen einen Schnaps gratis. Eine der Prostituierten, die zwischendurch aufkreuzten, um einen kleinen Schwarzen zu trinken, eine Hübsche mit einer Mireille-Mathieu-Frisur, nahm mich beiseite und sagte, mit mir mache sie es um die Hälfte und ohne Gummi, weil ich wie sie auch ein Hübscher sei, sie gebe mir, falls nötig, Kredit.
»Du wirst bestimmt eine Frau finden«, tröstete Vera. »Müsste jede glücklich sein, einen wie dich zu haben. Ich versteh’s nicht. Ich versteh’s einfach nicht! Sie begegnet dir, du wirst sehen. Du musst nur Geduld haben, mein Lieber. So ungern ich es sage: Geh besser irgendwo anders hin. Hier herein kommt nichts Gescheites, nichts für dich.«
»Aber ich fühl mich bei dir hier sehr wohl«, sagte ich.
Mäcki und ich waren immer die letzten, die gingen, selten vor halb vier. Ich schätzte ihn um die Mitte dreißig. Auf die Finger seiner Faust hatte er rechts Love , links Hate tätowiert. Er trank wenig Alkohol, sein Achtel Rot stand zwei Stunden lang vor ihm, er nippte, und nach zwei Stunden bestellte er ein neues. In der Zwischenzeit aß er zwei Zack-Zack Spezial und trank Tee. Sein heller polierter Kopf wirkte ausgeschlafen, ministrantenhaft, appetitlich, die Nacht konnte ihm nichts anhaben. Merkwürdigerweise zog er die Fliegen an. Wer mit Mäcki redete, hatte es mit Fliegen zu tun. Vor ihm auf der Bar stand ein umgedrehtes Bierglas. Das war sein Fliegengefängnis. Er fing die Fliegen mit der Hand, mit der rechten wie mit der linken, keine entkam ihm, und verfrachtete sie unter das Glas. Man müsse ihnen von vorne kommen, sagte er. »Dann starten sie in deine Hand hinein.« Am Ende der Nacht bewegten sich zwanzig Fliegen innen an der Glaswand.
Er lachte gern und laut: »Ich sehe aus wie der Tim aus Tim und Struppi und hätte immer gern ausgesehen wie Robert Mitchum in Die Nacht des Jägers oder wie Robert De Niro in Taxi Driver oder am liebsten wie Norman Bates. Was kann man machen! Für alle drei bin ich der am weitesten entfernte Typ.« Die Fliegen unter dem Glas wandten ihre Köpfe mit den Facettenaugen ihm zu, wenn er sprach: »Hör zu, little Joe! Ich weiß nicht, wie du unter deiner vielen Wolle aussiehst. Hitler hätte gern ausgesehen wie Siegfried. Aber frage dich: Was hat Siegfried zusammengebracht und was Hitler? Wer ist hier der Meister und wer der Lehrbub? Und Hitler hat weder eine Tarnkappe gehabt noch ein Schwert, dem er Befehle hätte geben
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