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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Unverkennbar war sein Vorarlberger Dialekteinschlag. »Du bist Andres Philip. Ich dreh durch! Ich dreh wirklich gleich durch!«
    Ich fragte, ob er ein Freund von Janna sei, ob er Janna das Heroin besorge, ob er mir sagen könne, wo Janna sich befinde, ob sie wohlauf sei, ob er mich zu ihr führen könne.
    Er rannte über die Stiege nach oben, was aber kein Rennen war, sondern ein groteskes Wackeln. Ich sei ein Wahnsinniger, schrie er, ich hätte Jannas Mutter umgebracht, er würde mir niemals sagen, wo Janna sei, ob ich sie auch umbringen wolle. Ich lief hinter ihm her, stellte ihn vor der Wohnungstür und schoss ihm in den Hinterkopf. Nichts von dem Schuss war zu hören, außer ein Blob! wie in der Sprechblase eines Comics – genauso hatte Mäcki über das Schießen mit Schalldämpfer referiert. Der mächtige, unförmige Körper rutschte zu Boden und kippte zur Seite, die Haare standen ab, als wären sie elektrisch aufgeladen. Am Geländer stand das Arschloch. Er war hinter uns her über die Stiege hinaufgerannt, Augen und Mund offen wie auf einem Kinoplakat, die Pickel in seinem Gesicht glühten. Ich schoss ihm in die Brust und in den Hals und in den Bauch, als er am Boden lag.
    Ich ging hinunter zum Donaukanal und warf die Pistole ins Wasser.
    Als ich mein Zimmer hinter mir absperrte, schlug die Uhr vom Türmchen dreimal, das hieß, es war eine Viertelstunde vor fünf Uhr. Ich wollte mir diese Uhrzeit merken, wusste aber nicht zu welchem Zweck. Ich zog mich aus und legte mich ins Bett und schlief gleich ein. Es war eine kurze Nacht und für längere Zeit das letzte Mal, dass ich in diesem Bett schlief.
     

6
     
    Die Genossen Allegra Pellicano und Riccardo Fantoni wurden ausgewählt, als Gäste der Kommunistischen Partei Österreichs und der Freien Deutschen Jugend (FDJ) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bei den Weltfestspielen der Jugend und Studenten vom 27. Juli bis zum 5. August 1978 in Havanna, Kuba teilzunehmen. Der Auftritt der beiden Genossen im Schulungsheim der KPÖ in Mauer hatte großen Eindruck hinterlassen, besonders die Märchenrede des Genossen Fantoni habe »heftige, aber letztlich fruchtbare und wertvolle Diskussionen« ausgelöst.
    Allegra war in Italien vom Entschluss des Zentralkomitees der Partei verständigt worden. Sie sprach mit Riccardo, und er schlug vor, Joel Spazierer solle mit Riccardos Pass nach Ost-Berlin und von Ost-Berlin nach Havanna reisen, schließlich sei es ja auch Joel Spazierer gewesen, dessen Vortrag eine letztlich fruchtbare und wertvolle Diskussionen ausgelöst habe. Wenn die Wiener Genossen den Fantoni und den Spazierer nicht voneinander unterscheiden konnten, würden es die deutschen und die kubanischen Grenzschützer auch nicht können.
    Allegra kam mit Riccardos Pass aus Turin zurück. Ein bisschen würde man an Joel Spazierers Äußerem herumbessern müssen, die Augenbrauen stutzen, Bart und Haare ein wenig dunkler färben, die Sommersprossen auf der Nase überschminken – die auf der Stirn wurden von den Haaren bedeckt. Von nun an sprachen Allegra und ich nur noch italienisch miteinander. Auch weil dies in Zukunft unsere Sprache sein würde.
    Zwei Wochen nach Ostern kam Allegra also wieder nach Wien. Es war dies ihr letztes Auslandssemester, und sie wollte sich besonders anstrengen. Auch ich war nun öfter an der Uni. Eine Prüfung wenigstens wollte ich ablegen. Vera erzählte mir, die Polizei sei bei ihr gewesen und habe sie und die Gäste nach Mäcki ausgefragt. Sie habe auch mich genannt, als eine Art Stammgast. Sie gab mir den Namen des zuständigen Beamten und die Adresse der Behörde. Dort stellte man mir ein paar Fragen, interessierte sich aber weiter nicht für mich.
     
    Das Festival auf Kuba stand unter dem Motto »Für antiimperialistische Solidarität, Frieden und Freundschaft«. Zwanzigtausend Jugendliche aus hundertfünfzig Ländern wurden erwartet. Um uns, die wir keiner Partei angehörten, bemühte man sich besonders. Im Flugzeug von Ost-Berlin nach Havanna wurde zweimal warmes Essen serviert, erst Königsberger Klopse in weißer Soße mit Kapern und Salzkartoffeln, später ein scharfer Eintopf mit schwarzen Bohnen und Wurzelgemüse. Allegra und ich saßen leider nicht nebeneinander, und weder ihre Nachbarin noch mein Nachbar war bereit, die Plätze zu tauschen.
    Um uns die Zeit zu verkürzen, wurden Dokumentarfilme über einige Helden der Freiheit gezeigt. Der erste Beitrag erzählte von dem antiken Sklavenbefreier Spartakus, der ein

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