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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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dann ging ich weiter.
    Felsen erhoben sich vor mir, je höher ich im Wald aufwärtsstieg. Ich fand einen Felsüberhang, ich kletterte hinunter. Unten war modriges, trockenes Laub. Ich zog mich an Wurzeln wieder nach oben, riss Zweige von den Bäumen, sammelte Laub und Reisig ein und schob den Haufen in die Höhle. Ich aß den Rest des Brotes, ließ mich hinunter, grub mich ein und schlief.
     

9
     
    Etwas bewegte sich über mir. Ich hörte Knacken und Rutschen und Schnaufen. Etwas war drauf und dran, zu mir herunterzusteigen. Gib mir ein Zeichen, bitte, damit ich weiß, wo du bist, hörte ich sagen. Ich wurde gesucht. Von wem? Es war ein Mann wie ein Bär, genauer: Es war ein Bär mit dem Gesicht eines Mannes. Er erhob sich auf die Hinterbeine. Ich bin der, dessen Geschichte du so schön erzählt hast, sagte er. Darf ich mich vorstellen, nicht erschrecken, bitte: Karl Wiktorowitsch Pauker, der Sowjetkomiker. Kennst du den? Hitler und Stalin treffen einander zu Verhandlungen. Hinterher geben sie eine Pressekonferenz. Fragt ein Journalist: Was haben Sie beschlossen? Antwortet Hitler: Wir bringen sechs Millionen Juden um und einen Zahnarzt. Warum einen Zahnarzt, fragt der Journalist. Siehst du, flüstert Stalin Hitler zu, keiner fragt nach den Juden. Während er sprach, verwandelte sich Herr Pauker in einen Jockey in Reitstiefeln, Reithose und Reithelm, eine Gerte baumelte an seinem Gürtel. Ich habe dir etwas mitgebracht, das hast du in Kuba vergessen, sagte er. Er hielt ein Paket unter dem Arm, genauer: irgendetwas in Zeitungspapier Eingewickeltes. Er setzte es vor mich hin und packte es aus. Es war Lamine N’Doyes Chamäleon, dieu de la mouche . Warum hast du mich nicht aus den Klauen des Mohren befreit, schimpfte es. Ich, in der Gewalt eines Brikettkopfes! Ich habe dich gewarnt, die Neger strömen herauf in den Norden und ficken unsere Frauen, und die weiße Rasse stirbt aus. Sprach das Chamäleon mit Mäckis Stimme. He, sagte es und klatschte mir seine klebrige Zunge ins Gesicht und zog mir die Nase in die Länge, die Frage aller Fragen lautet doch wohl: Warum hast du mich erschossen? Musste das unbedingt sein? Denkst du, ich hätte dich verpfiffen? Denkst du, jemand hätte je aus mir herausgekriegt, wem ich meine Puffen verkaufe? Hast du eine Ahnung, wie demütigend es ist, mit derselben Waffe erschossen zu werden, mit der keine Stunde später zwei Arschlöcher erschossen werden? Er hat es halt getan, hörte ich Major Hajós aus dem Mardermaul antworten. Mon Dieu! Ich habe ihm dazu geraten, ich war es. Was sagst du jetzt? Shut me down! Also lass ihn in Ruh! Geh nach Hause in die Hölle! Bazd meg az anyád! Der kleine Liebling steht unter meinem Schutz! Ist das verstanden worden? Es gibt Operationen, die absolut keine Zeugen dulden. Ich verlange nicht, dass du das kapierst. In Ordnung, in Ordnung, in Ordnung, antwortete das Chamäleon kleinlaut, ich habe mich geirrt. Die Frage aller Fragen lautete nicht: Womit habe ich es zu tun? Sondern: Mit wem habe ich es zu tun? Ich dachte, es geht um eine Sache. Aber es ging immer nur um dich. Nicht streiten, bitte! Offen sein und Vertrauen haben, versuchte Karl Wiktorowitsch Pauker zu beschwichtigen. Inzwischen sah er aus wie ein Gendarm, graue Uniform mit breitem braunem Koppel. Aber Bärengesicht, das schon! Wir sind hier zusammengekommen, sagte er, weil wir über den kleinen Liebling und die Verletzung an seinem Bein sprechen wollen. Vergesst das nicht! Was für eine Verletzung denn? Die Wunde, siehst du sie nicht? Da ist Rost hineingekommen, Rost von den Schienen der Österreichischen Bundesbahnen. Schlecht, ganz schlecht! Schnell verwandelte er sich in einen Arzt mit großen, groben Schuhen, die dicke steife Sohlen hatten. Er leuchtete mit einer Taschenlampe auf mein Bein und verzog dabei sein Bärengesicht. Ich tippe auf Lymphangitis. Roter Strich? Tatsächlich. Das ist ein schlechtes Zeichen. Steh auf, schlaf nicht ein, hörte ich das Rotkehlchen zwitschern, du musst dich bewegen, sonst stirbst du! Der Kater gab ihm recht: Du darfst dich nicht aufgeben, beweg dich! Der Marder widersprach: Gerade nicht! Dann verstreut sich das Gift nur umso schneller in seinem Körper. Halt dich an mir fest, sagte die Katze, ich zieh dich heraus, wenn du nicht mehr gehen kannst. Ihr dummen Säue, fuhr sie das Chamäleon an, er verreckt hier, das ist beschlossene Sache, und ich schau ihm dabei zu, ich bleib bis zum Ende der Veranstaltung und glotze ihn an und fresse ihm die Fliegen

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