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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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heiße.
    »Ja«, sagte ich, »Ernst-Thälmann, wie der große Arbeiterführer. Er war mein Großvater.«

DRITTER TEIL
     

NEUNTES KAPITEL
     
    … in dem ich noch einmal die Chronologie durchbreche und in der Geschichte vorausspringe, wieder bis nahe an die Gegenwart heran; natürlich auch, weil ich hier einiges zu erledigen habe; aber vor allem, um Ihnen durch eine Zäsur in der Erzählung zu verdeutlichen: dass ich am 20. Januar 1979 , einem kalten, sonnigen Sonnabend, nachmittags gegen vier, an der DDR -Grenzübergangsstelle Probstzella nicht nur in ein anderes Land wechselte, sondern in eine andere Welt. Davon aber in den nächsten Kapiteln mehr. – Nahe der Gegenwart: Das ist dreißig Jahre später, der Winter 2008 …
     

1
     
    Ich habe nichts zum Inventar der Wohnung am Minoritenplatz beigetragen; alles hier gehörte dem tierärztlichen Ehepaar Marithér und Gert Manger.
    Mein gesamter Besitz passte in zwei Koffer. Er bestand aus Kleidung (darunter drei Anzüge, auf die ich besonders achtgab; sie waren schon alt, ließen mich aber immer noch sehr elegant aussehen, und darauf konnte ich aus verschiedenen, nämlich durchaus praktischen Gründen nicht verzichten), einem Stapel Notizbücher, meinem Radio und ein paar Büchern (selbstverständlich Die Österreichisch-Ungarische Nordpol-Expedition mit meinen amtlichen Identitäten; und dann noch ein zerfledderter Band, bei dem die Deckblätter fehlten, eine Reisebeschreibung durch Mexiko von einem französischen Dichter; und natürlich den Band mit den ausgewählten Predigten und Traktaten von Meister Eckhart). Den kleineren der beiden Koffer kennen Sie, es ist ebenjener Alukoffer von Rimowa , inzwischen – nach dreißig Jahren! – war er arg verbeult und zerkratzt; der andere war ein größeres Stück derselben Firma, aber neueren Datums, mit vier Rollen und einer Griffstange zum Ausziehen. Ich besaß keine Handtücher, keine Bettüberzüge, keine eigene Kaffeetasse. Aber die Kästen waren ja voll mit feiner Ware, und Besteck und Geschirr gab es genug, um Freunde einzuladen. Das Beste: Die Wohnung ließ sich prachtvoll heizen. Seit einiger Zeit fror ich. Zweimal am Tag legte ich mich in die heiße Badewanne. In dieser kalten, windigen Jaherszeit verließ ich die Wohnung nur ungern. Ich suchte mich nicht zu beschäftigen, es genügte mir, wenn ich am Tisch saß. Ich lebte in einem still schlummernden Frieden.
    Gert Manger besuchte mich und brachte mir jedes Mal ein paar Sachen mit, Leckereien und Eingewecktes, einen Bauernspeck von einer Kundschaft, Lebzelten vor Weihnachten. Leider kein Brot. Seine Tierarztpraxis befand sich fünf Gehminuten von der Wohnung entfernt. Er fragte, ob ich eine junge Katze haben wolle. Wir kamen aber nicht mehr darauf zurück. Auch über den Gott, und dass er ihm erschienen war, sprachen wir nicht mehr. Irgendwann war er länger geblieben, bis in die Nacht hinein. Und hatte weniger gesprochen als sonst. Er war aber nicht damit herausgerückt. Ich wusste, was er wollte.
    Seine Frau wollte das Gleiche.
    Aber weil sie fest damit rechnete, dass auch ich mit ihr ins Bett gehen wollte, dass es also, wie von ihr vorgesehen, geschehen würde, war ihr Wunsch nicht drängend – jedenfalls nicht so drängend wie ihr Gewissen, das, wie sie mir noch im Stiegenhaus erklärte, seit fünfzehn Jahren darauf warte, erleichtert zu werden. Allerdings könne sie nicht mit irgendjemandem darüber sprechen, an die katholische Kirche glaube sie nicht mehr und in die Beichte habe sie nie großes Vertrauen gehabt. Sie gestand mir, ihren Schwiegervater getötet zu haben. Und hatte dabei ein entgeistertes Lächeln im Gesicht, das sie selbst wohl für ein entwaffnendes Lächeln hielt und als ein solches vor dem Spiegel für mich zusammengebaut hatte. Gert Mangers Vater war ein schwerkranker, sehr leidender Mann gewesen, den die Krankheit und das Leid in einen Teufel verwandelt hätten. Sie sei damals vor ihren Abschlussprüfungen an der Uni gestanden, jungverheiratet, nicht schwanger, Gert sei gerade im Begriff gewesen, seine Praxis aufzubauen, und sie habe sich – sicher leichtgläubig, leichtsinnig, gutwillig – angeboten – nein, Gert habe sie in keiner Weise dazu gedrängt, sie habe es freiwillig getan –, zu Hause zu bleiben und den Vater zu betreuen. Der sei nicht mehr aus dem Bett gekommen. Die Details der Pflege wolle sie mir ersparen. Irgendwann während seines Mittagsschlafes habe sie ihm das Kopfkissen aufs Gesicht gedrückt. Außer dass er

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