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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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draußen standen Hung und seine Brüder.
    Sie schüttelten meine Hand, boten mir Konfekt an und gaben mir Feuer aus bunten Feuerzeugen, lachten lautlos wie Mao Tse-tung auf den Fotografien aus der Zeit des Langen Marsches, die ich in einem anderen geographischen Heft gesehen hatte. Sie hatten keine Ähnlichkeit mit meinem Diener, der schlank, fast zierlich war, während sie, wie ich an ihren Hälsen sehen konnte, mit Muskeln bepackt waren. Die Haut ihres Gesichts schien aus einem anderen Material als Fleisch zu bestehen. Beide waren sie bewaffnet, sie knöpften ihre Mäntel auf und ihre Jacketts und zeigten mir die Knäufe in den Halftern unter ihren Achseln, die nicht anders aussahen als der Knauf im Halfter ihres Bruders Hung.
    Hung sagte, seine Brüder hätten alles in meinem Sinn organisiert, sie seien glücklich, mir einen Gefallen tun zu dürfen.
    »Was haben sie organisiert?«, fragte ich.
    Wir fuhren im Mosquitsch , Hung lenkte, ich saß neben ihm, die Brüder saßen hinten. Ich sah ihre Gesichter im Rückspiegel. Ich hätte nicht sagen können, wer der ältere und wer der jüngere war, welcher beinahe den Massenmörder erschossen und welcher des Bruders Seele gerettet hatte. Irgendwann hielt Hung den Wagen an, und einer der beiden stieg aus. Wir fuhren weiter, und nach einer Weile stieg auch der andere Bruder aus. Wir fuhren weiter, und wieder nach einer Weile parkte Hung den Wagen neben einem Maschendrahtzaun, hinter dem die Reste eines abgerissenen Gebäudes lagen, Betonplatten, aus denen Wehreisen ragten, übrig gebliebene Mauern, Schutthaufen, nach Material getrennt. Hung ließ den Motor laufen, wir warteten im Auto. Er wisse nicht, wie lange es dauern werde, sagte er. Man wisse nicht, wo sie übernachtet habe, es bestünden zwei Möglichkeiten, einmal übernachte sie hier, einmal dort. Ein Bruder stehe vor dem einen Haus, der andere vor dem anderen. Sobald sie auftauche, melde sich entweder der eine Bruder oder der andere.
    »Sobald wer auftaucht?«, fragte ich.
    Hung antwortete nicht.
    Ich schätzte, etwa zwei Stunden saßen wir im Auto bei laufendem Motor. Die Brüder hatten Sprechfunkgeräte, über die sie sich mit Hung verständigten. Auf Vietnamesisch. Ich verstand kein Wort. Alle paar Minuten meldeten sie sich.
    Endlich sagte Hung: »Ich erfahre gerade, sie hat das Objekt Nummer 1 verlassen.«
    Er legte den Gang ein und fuhr los.
    »Wer?«, fragte ich. »Wer hat das Objekt Nummer 1 verlassen?«
    »Ich erfahre gerade, sie geht auf dem Trottoir der Brogmannstraße in Richtung Thürnagelstraße. Sie hat es nicht eilig. Wir werden rechtzeitig dort sein.«
    »Wer geht?«, fragte ich. »Wer hat es nicht eilig?«
    Nach wenigen Minuten hielten wir wieder an.
    »Wir warten, ob sie abbiegt«, sagte Hung.
    »Wer! Bitte, wer!«
    »Wenn sie nicht abbiegt, bekommen wir eine Meldung. Wenn sie abbiegt, müssen wir ein Stück fahren. Aber sie wird nicht abbiegen, sagt mein Bruder.«
    Wieder knatterte die Stimme eines der Brüder aus dem Walkie-Talkie. »Sie ist nicht abgebogen«, übersetzte Hung. »Also los!« Er beugte sich über mich und öffnete die Wagentür auf meiner Seite. »Gehen Sie geradeaus, dann treffen Sie auf sie. Wir schätzen etwa zwanzig Meter nach der Kreuzung Parrisiusstraße wird es sein. Bonne chance!«
    Ich ging geradeaus, und nach wenigen Minuten sah ich sie.
    Sie trug einen hellen Mantel mit Kapuze und hohe Stiefel und Handschuhe mit Norwegermuster. Wir erkannten einander im gleichen Moment.
    »Ich habe mit großer Wahrscheinlichkeit damit gerechnet, dass ich Sie hier treffe«, sagte ich.
    »Woher wussten Sie das?«, fragte sie, aber natürlich erwartete sie keine Antwort. Ich an ihrer Stelle hätte gedacht: Er möchte charmant sein und drückt sich dabei ungeschickt aus, und meine Ungeschicktheit wäre mir noch charmanter vorgekommen. Ich an ihrer Stelle wäre gerührt gewesen. Ich sah ihr an, dass sie gerührt war. Hätte ich charmant sein wollen, ich hätte mich für Ungeschicktheit entschieden und unser Gespräch mit ebendiesem Satz begonnen. So habe ich ihn gesagt, weil ich mir vorgenommen hatte, diese Frau nicht anzulügen. Ich spürte mit Sorge, Stolz, Erstaunen, Trauer und Freude, dass ich im Begriff war, ein neuer Mann zu werden. Jemanden niemals anlügen zu wollen, auf diesen Gedanken war ich bisher nicht gekommen – jedenfalls nicht, dass ich wüsste.
     
    Sie hieß Elsbeth Kramer. Nach ihrer Ausbildung zur Diensthundführerin bei den Grenztruppen hatte sie neben ihrer Arbeit

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