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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Sergeant Winship sagte mit dröhnender Stimme, wobei er deutlich sichtbar eine Hand an die Pistole in seinem Gürtel legte: »US Army Military Police, Sir! Your house is not listed!« Der Mann klappte den Mund auf und zu und bat ihn stumm herein. Fünf Minuten später war Staff Sergeant Winship wieder draußen, über seiner Schulter hing der gefüllte Rucksack. Er ging um das Haus herum zum Schuppen und kam mit zwei Fahrrädern zurück, eines für mich, ein Damenrad, eines für sich, das Herrenrad, und wir fuhren lustig davon. – Das war’s gewesen.
    Im Rucksack befanden sich: eine Leberwurst und eine Krakauerwurst; ein kalter Schweinsbraten; ein Keil Käse, so groß, dass man damit einen Güterzug hätte abbremsen können; zwei Brotlaibe, ein weißer schmaler und ein dunkler runder; ein ordentlicher Streifen Speck und ein Karton Eier; sechs Äpfel, ein Bündel Karotten, zwei große braune Zwiebeln, zwei Gurken; ein Glas Senfgurken, ein Glas mit kleinen weißen in Essig eingelegten Zwiebeln; ein Tütchen Pfeffer; ein Ast Tomaten; eine Tube Senf; ein in Papier eingewickeltes faustgroßes Stück Butter, eine Tüte Malzkaffee, drei Flaschen Bier und zwei rote Schachteln Zigaretten, eine voll, eine halbvoll, Marke Overstolz, und eine Flasche Schnaps. Nicht zu vergessen, Walnüsse.
    Nun begann die himmlische Zeit! Wir machten es uns vor der Hütte gemütlich, zündeten ein Feuer an, um die Mücken zu verscheuchen und um den Speck und die Eier im Topf zu braten. Es roch so köstlich, dass ich vor Aufregung zitterte. Staff Sergeant Winship zeigte mir an, ich solle vorher ein Stück Brot mit Käse oder Wurst essen oder etwas von den anderen Sachen probieren, alles sei für mich; aber das wollte ich nicht, ich wollte durchhalten. Da hatte ich so viel über die ägyptischen Götter erfahren und die erlesenen Speisen, die man ihnen ins Grab gelegt hat, und über die Fressereien an mittelalterlichen Höfen wusste ich ebenfalls Bescheid – zum Beispiel während der Hochzeiten von Siegfried und Kriemhild und Gunther und Brünhild am Burgunderhof zu Worms oder am Hof von König Etzel in Ungarn; aber nie war von Spiegeleiern mit Speck berichtet worden, dazu ein Butterbrot und eine Tomate, eine Senfgurke und ein Apfel, Quellwasser, und nicht zu vergessen die Walnüsse, die Staff Sergeant Winship mit dem Knauf seiner Pistole aufschlug. Wie kann ein Mensch mehr Glück haben! Und auf einmal sah ich die wunderbare Wahrheit: Staff Sergeant Winship war zu mir geschickt worden! Was denn sonst! Meine Tiere hatten ihn zu mir geschickt. Eine andere Erklärung wäre an den Haaren herbeigezogen gewesen.
    Staff Sergeant Winship – er bat mich immer wieder, ihn Hiram zu nennen, was ich aber ablehnte, denn »Staff Sergeant Winship« klang würdiger, und ich konnte nicht genug kriegen, Dienstrang und Namen auszusprechen, weswegen auch er mich nicht mehr nur Andrew, sondern Corporal Andrew Philip nannte – meinte, es wäre weniger gefährlich, in der Nacht zu reisen und am Tag zu schlafen, und auch angenehmer wegen der Hitze. Er zeigte mir auf der Landkarte, was sein Ziel war: die Tschechoslowakei. Ich zeigte ihm auf der Landkarte, dass ich nach Wien wolle. Er überlegte kurz, nahm seinen und meinen Zeigefinger in die Hand und hüpfte, als wären sie Beinchen, quer durch Österreich. Bei Wien ließ er meinen Finger los und hüpfte allein weiter nach Ungarn. Übersetzung: Ich fahre mit dir bis Wien und von dort allein weiter nach Ungarn, anstatt in die Tschechoslowakei – was mich wiederum nicht wunderte, denn meine Tiere stammten schließlich aus Ungarn. Ich dachte an meinen Vater, wie er in der Báthory utca seinen Spaß mit der Weihnachtskrippe vorgeführt hatte, und ich freute mich darauf, ihm von Staff Sergeant Winship zu erzählen. Es war wunderbar, einen vollen Bauch zu haben!
    Er hatte ein kariertes Flanellhemd in seinem Rucksack, von dem schnitt er die Ärmeln ab und nähte daraus zwei Mokassins für mich. An den Fahrrädern hingen dreieckige Ledertaschen für Werkzeug. Daraus machte er die Sohlen. Er flickte mir auch den Riss in meiner Hose zusammen, rieb den Topf mit Sand aus, bis er blitzte, kochte Wasser auf und reinigte meine Wunde. Er schob mir ein Stück Holz in den Mund, damit ich darauf biss, und goss Schnaps über meine Wunde. Sehr tapfer war ich nicht. Er legte fachmännisch einen Verband an, nicht zu locker, nicht zu fest. Ich hatte mir schon vor Tagen einen Dorn in die Ferse eingetreten. Er versprach, ihn mir herauszuziehen

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