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Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition)

Titel: Die Abenteuer des Joel Spazierer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Schokolade gewesen, aber ich wusste, dass Schokolade wirksam gegen Durchfall war, aber woher ich Schokolade kriegen könnte, wusste ich nicht. Und der Hunger war auch nicht weniger geworden. Gegen den hätte Schokolade ebenfalls geholfen.
    Am Mittag erreichte ich einen Weiher. Ich zog mich aus, schrubbte meine Sachen mit Sand, breitete sie in die Sonne und sprang ins Wasser und schwamm eine Runde. Ich fühlte mich nicht mehr einsam und auch kräftiger. Ich legte mich auf einen warmen Stein, die Sonne tat meinem Bauch gut; ich blickte in die Baumkrone, die meinem Kopf Schatten gab, und wartete, dass Hemd, Hose und Unterhose trockneten. Das dauerte und dauerte, und ich war darauf gefasst, dass jemand kommt. Ich schwamm wieder in den Teich hinein, nur um etwas gegen die Langeweile zu tun. Meine Haut trocknete viel schneller als der Stoff, das war auch nicht uninteressant. Als die Sachen endlich trocken waren, sahen sie schäbig aus, zerknittert und nicht mehr schön weiß. Die Socken ließ ich liegen, die waren zu nichts mehr nütze, die Sohlen ein einziges Loch. Ich achtete darauf, mich in Richtung der Mittagssonne zu halten; wusste nicht warum, der Süden war mir die sympathischere Richtung. Wo Wien war, wusste ich nicht.
     
    Am Anfang zählte ich die Tage und Nächte. Aber ich geriet durcheinander, grübelte, ob Donnerstag oder erst Mittwoch oder schon Freitag sei. Ich gab es schließlich auf, darüber nachzudenken; die Luft, der Himmel, die Blätter der Bäume, der Vogelhall zwischen ihren Stämmen, sie waren die gleichen am Mittwoch wie am Donnerstag oder am Freitag, und den Hunger kümmerten die Namen der Tage sowieso nicht. An manchen Orten bildete ich mir ein, schon einmal gewesen zu sein. Menschen mied ich. Bei Beeren kannte ich mich nicht aus, auch nicht bei Pilzen. Sauerampfer aß ich, der schmeckte nicht schlecht, satt wurde ich davon nicht. Ich streifte durch die Wälder, vor offenen Feldern war mir bang. Von weitem sah ich Traktoren und Heumännchen und Männer und Frauen bei der Arbeit. Ein Bauer fuhr am Waldrand entlang, er saß auf einem Wagen mit Gummireifen, ein Pferd zog ihn. Ich ging im Schutz der Bäume neben dem Fuhrwerk her, hoffte, der Bauer würde etwas fallen lassen, was ich hätte essen können. Er war wahrscheinlich auf dem Weg, etwas abzuholen; er fuhr leer, nur seine Tasche lag auf der Ladefläche, eine alte Ledertasche, vielversprechend aufgebläht. Ich verließ meine Deckung und kletterte von hinten auf den Wagen. In der Tasche steckten eine Thermosflasche, zwei Äpfel, eine Zwiebel, zwei kurze Würste und Brot. Ich nahm Wurst, Brot und Äpfel, hüpfte vom Wagen und war wieder im Wald verschwunden. Der Mann hatte mich nicht bemerkt.
    Einmal traf ich mit einem Dachs zusammen – heute weiß ich, dass es ein Dachs war, damals wusste ich es nicht. Ich war über einen niedrigen Felsen gesprungen und neben ihm gelandet. Er fauchte mich an und zeigte sein Gebiss. Er bewegte sich in kleinen ruckartigen Schritten auf mich zu, blieb immer wieder stehen, als wollte er mir eine Chance geben. Sein Gesicht, fand ich, war nicht zornig, sondern ernst und besorgt. Ich tastete mich langsam rückwärts davon. »Ich kenne Tiere«, sagte ich. Ich sagte es einfach, damit er Bescheid wusste; nicht, um ihm zu drohen. Den Gestank hatte ich lange in der Nase.
    An den Abenden riss ich belaubte Äste und Zweige ab, warf sie zu einem Haufen und kroch darunter. Die Insekten plagten mich. Mit ihnen ließ sich nicht reden.
    Wo keine Menschen sind, wird man nicht satt. Manchmal schlich ich mich doch wieder in Gärten und zog Karotten aus der Erde; vom anderen Gemüse ließ ich die Finger. Ich bin auf einen Baum geklettert und habe Kirschen gegessen, viel zu viel davon, sie schmeckten so gut, aber haben nicht gutgetan. Einmal kam ich zur Mittagszeit zu einer kleinen Kirche mit einem Zwiebelturm und Verzierungen, die auf einer Anhöhe thronte wie eine Prinzessin. Ich wollte mich nur ein bisschen im Schatten ausruhen. Um die Kirche herum wuchsen Kastanienbäume, nicht einen Vogel hörte ich, keine Grille, kein Rascheln der Blätter. Die Tür stand weit offen, ein kühler muffiger Weihrauchduft strömte heraus. Ich setzte mich in die erste Bank. Über dem Altar hing ein Bild, das zeigte einen nackten Mann, der an einen Baumstamm gefesselt war. In seinen Armen, seinen Beinen, in der Seite und im Hals steckten Pfeile, aber sein Blick war, als ob er recht unbeschadet lebte und über manches nachdachte. Links von ihm fiel ein

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