Die Abenteuer des Röde Orm
lernen, denn dadurch würdest du dir viele rote Streifen auf dem Rücken ersparen.«
Der Magister seufzte und meinte, daß Orm damit gewiß recht habe. Er versuchte sich an allerlei leichten Arbeiten, aber nichts wollte ihm gelingen. Beim Mähen stellte er sich erbärmlich an, denn es war ihm unmöglich zu begreifen, wie die Sense gehalten werden mußte; beim Tischlern war er ungeschickt, obgleich Rapp und auch Orm selbst ihn mit großer Geduld unterwiesen; wenn er Reisig für den Backofen hacken sollte, so haute er sich ins Bein und lag dann jammernd und blutig am Boden, und als seine Wunde geheilt war und man ihn mit einem Mann vom Gesinde zum Fluß schickte, um nach den ausgelegten Netzen zu sehen, erschrak er so sehr vor einem großen Aal, der sich ihm um den Arm schlang, daß er den Eichstamm, der als Boot diente, zum Kippen brachte und der ganze Fang verlorenging. Nur mit genauer Not retteten sich beide ans Ufer. Man konnte ihn daher nur in der Kirche als wirklich tüchtig betrachten, auch schätzte man ihn abends im Kreise des Hausgesindes, wenn jeder bei seiner Handarbeit saß und er von Kaisern und Heiligen berichtete. In allem anderen aber galt er als ein unvergleichlicher Stümper, der sich auf nichts verstand, was jedem Mann geläufig war. Dennoch mochte man ihn gern, und es war zu merken, daß alle Frauen, von Äsa und Ylva bis zur jüngsten Magd, sich seiner annahmen und zu seiner Entschuldigung viel vorzubringen wußten.
Im Vorfrühling dieses Jahres hatte Rapp, der Einäugige, sich eine üppige Bauerntochter zur Frau genommen. Sie hieß Torgunn. Er hatte sie trotz seiner Einäugigkeit mühelos gewonnen, da er als weitgereister Mann und als einer, der die Waffen geschickt zu führen wußte, großes Ansehen genoß. Auf Rapps Befehl hatte sie sich gleich taufen lassen, und nachher versäumte sie keinen Gottesdienst; sie war überall gern gesehen, zeigte sich flink bei der Arbeit, und Rapp und sie kamen gut miteinander zurecht, obschon er auf Befragen einmal murmelnd zur Antwort gegeben hatte, daß es nicht leicht sei, sie zum Schweigen zu bringen, und es bei ihr lange dauere, bis sie Aussicht auf Kinder gäbe. Ylva mochte sie sehr, und die beiden saßen oft vertraulich beisammen, ohne daß eine von ihnen je an Worten zu kurz kam.
Nun geschah es eines Tages, daß das Hofgesinde in den Wald mußte, um verlaufenes Jungvieh zu suchen, und das Suchen dauerte lange. Gegen Abend, als Rapp, ohne etwas gefunden zu haben, schon auf dem Rückweg war, hörte er absonderliche Laute aus einem Birkengestrüpp, und als er näher heranging, sah er Torgunn bei einem großen Stein im Grase liegen, während der Magister sich tief über sie beugte. Mehr konnte er durch das Gebüsch nicht wahrnehmen, und als sie seine Schritte hörten, sprangen beide schnell auf. Rapp stand stumm da, aber Torgunn kam, auf einem Bein hopsend, auf ihn zu und war nicht um Worte verlegen.
»Es war ein Glück, daß du kamst«, sagte sie, »nun kannst du mir ja nach Haus helfen. Ich bin über eine Wurzel gestolpert und habe mir dabei das Knie verrenkt, und auf mein Hilferufen kam der Magister hinzu. Aber er konnte mich nicht tragen; nun hat er mein Knie besprochen, so daß es damit schon besser geworden ist.«
»Das Auge, das ich noch habe, sieht gut«, sagte Rapp. »Mußte er über dir liegen, als er das Knie besprach?«
»Aber das tat er ja nicht«, sagte Torgunn verdrießlich. »Rapp, sag, was fällt dir denn ein? Er lag vor mir auf den Knien, während er mein Knie umfaßt hielt und dreimal heilige Worte darüber sprach.«
»Dreimal?« fragte Rapp.
»Stell dich doch nicht dümmer, als du bist«, sagte Torgunn. »Zuerst im Namen des Vaters, dann in des Sohnes und dann in des Heiligen Geistes Namen; das macht dreimal.«
Rapp schaute den Priester an. Der war bleich, und ihm zitterte ein wenig der Mund, aber sonst war ihm nichts anzumerken.
»Hättest du nach Atem geschnappt, dann wärst du jetzt schon ein toter Mann«, sagte Rapp nachdenklich.
»Um Märtyrer zu werden, bin ich ja in dieses Land gekommen«, sagte der Magister.
»Du kannst schnell genug einer werden«, sagte Rapp. »Aber laß mich erst mal dein Knie besehen, Frau, falls du noch weißt, welches das beschädigte ist.«
Torgunn fing an zu jammern und sagte, ein solches Elend habe sie noch nie erlebt; aber sie setzte sich gehorsam auf den Stein und entblößte ihr linkes Knie. Ob es wirklich geschwollen war, ließ sich nicht recht feststellen, aber sie schrie auf, als Rapp
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