Die Abenteuer des Röde Orm
ruderten«, sagte Toke.
»Nun müssen wir vorsichtig fahren«, meinte Grinulf, »denn es mag Ran sein mit ihren Töchtern, die Seefahrer locken mit Gesang und Spiel.«
»Mir klingt es eher, als ob Zwerge beim Schmieden sind«, sagte Halle, »und auch dergleichen mag, wenn man zu nahe kommt, gefährlich sein. Vielleicht sind wir bei irgendeiner Küsteninsel, wo Kobolde ihr Wesen treiben.«
Der schwache Klang aus der Ferne tönte fort, und sie fühlten sich nun alle ängstlich werden und warteten auf das, was Orm sagen werde. Sogar die Sklaven horchten auf und begannen eifrig zu schnattern, aber Orm und seine Leute verstanden ihre Sprache nicht.
»Niemand kann wissen, was das ist«, sagte Orm, »aber es wäre schlimm, wenn schon so wenig uns bange machen könnte. Darum wollen wir weiterrudern wie bisher und, so gut es geht, Ausguck halten. Und was mich angeht, so habe ich nie gehört, daß Kobolde sich früh am Morgen zeigen.«
Das meinten auch die anderen, und man ließ weiterrudern. Hin und wieder spürten sie einen leisen Windhauch, und der Nebel fing an zu steigen, und auf einmal riefen alle, daß sie Land sähen. Es schien eine Insel oder Landzunge mit steiniger Küste zu sein, und der Klang kam deutlich von dort her; doch nun hörte er auf. Sie sahen grünes Gras und einige weidende Ziegen und dann ein paar Hütten, bei denen Männer standen und hinausblickten zum Schiff.
»Das sieht mir weder nach Kobolden noch nach Rans Töchtern aus«, sagte Orm. »Hier gehen wir an Land und sehen nach, wohin wir gekommen sind.«
So geschah es denn auch. Die Männer auf der Insel zeigten keine Furcht, als sie heergekleidete Männer an Land gehen sahen, sondern sie kamen ihnen freundlich entgegen und begrüßten sie. Es waren ihrer sechs, und alle waren alt und hatten weiße Bärte und braune Mäntel, und was sie sagten, konnte keiner verstehen.
»Zu welchem Lande sind wir gekommen und wessen Leute seid ihr?« fragte Orm.
Einer der Alten verstand seine Worte und rief den anderen zu: »Lochlannach, Lochlannach!« und dann antwortete er in Orms eigener Sprache. »Du bist nach Irland gekommen, und wir sind Diener des heiligen Finnian.«
Als Orm und seine Leute das hörten, waren sie sehr froh und meinten, fast schon zu Hause zu sein. Sie sahen nun, daß sie auf einer kleinen Insel gelandet waren, und dahinter konnten sie in der Ferne die irische Küste unterscheiden. Nur die alten Männer und deren Ziegen lebten auf dieser Insel.
Die Alten redeten eifrig miteinander und sahen erstaunt aus, und der Mann, der die nordische Sprache verstand, sagte darauf zu Orm: »Du sprichst die Sprache der Nordmänner, und diese Sprache verstehe ich, denn bevor ich auf diese Insel kam, bin ich viel mit Nordmännern umgegangen. Aber soviel ist sicher, daß ich nie Männer von Lochlann gesehen habe, die wie du und deine Leute gekleidet waren. Wo kommt ihr her? Seid ihr weiße oder schwarze Lochlannach? Und woher kommt es, daß ihr mit Glockenklang dahersegelt? Heute ist der Tag des heiligen Branda, und seinem Gedächtnis zu Ehren läuteten wir unsere Glocke; da hörten wir eure Glocke vom Meere her Antwort geben und glaubten, daß es vielleicht der heilige Branda selbst sei, denn er ist ein großer Seefahrer gewesen. Aber ihr alle seid ja wohl auf den Namen Jesu Christi getauft, da ihr mit heiligem Laut dahergesegelt kommt?«
»Der Alte kann gut schwatzen«, sagte Toke, »und hier, Orm, hast du auf vieles Antwort zu geben.«
Orm erwiderte dem Alten: »Wir sind schwarze Lochlannach, Männer aus König Haralds Reich, und doch weiß ich nicht, ob König Harald noch lebt, denn wir sind lange von Hause gewesen. Aber unsere Mäntel und Kleider sind aus Spanien, denn wir kommen von Andalusien her, wo wir einem hohen Herrn namens Almanzur dienten. Und unsere Glocke heißt Jakob und ist von der Kirche in Asturien, da der Apostel Jakob begraben liegt, und sie war dort die größte von allen Glocken; aber wie sie mit uns auf die Reise kam, ist jetzt zu lang zu erzählen. Christus kennen wir, aber dort, woher wir kommen, wird er nicht in großen Ehren gehalten, und wir sind nicht getauft. Aber da ihr selbst Christen seid, hört ihr vielleicht gern, daß wir Christen an den Rudern sitzen haben. Sie sind unsere Sklaven und kommen von demselben Ort wie die Glocke, und nun sind sie von der Reise recht angegriffen und taugen nicht viel. Darum wäre es gut, wenn man sie hier an Land schaffen könnte, damit sie sich, bevor wir weiterfahren, erholen
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