Die Abenteuer des Sherlock Holmes Bd.1
behalte das Bild nur, um mich zu sichern und eine Waffe zu haben, die mich immer schützen wird vor allen Schritten, die er in Zukunft unternehmen mag. Ich hinterlasse eine Fotografie, an deren Besitz ihm vielleicht liegt, und verbleibe, lieber Mr. Sherlock Holmes, als Ihre aufrichtige
Irene Norton, née Adler.‹
»Was für eine Frau, oh, was für eine Frau!« rief der König von Bohemia, nachdem wir drei die Epistel gelesen hatten. »Habe ich Ihnen nicht erzählt, wie rasch und energisch sie ist? Würde sie nicht eine bewundernswürdige Königin abgegeben haben? Ist es nicht ein Jammer, daß sie nicht meines Ranges ist?«
»Nach dem, was ich von der Dame erlebt habe, scheint sie wirklich von einem ganz anderen Rang als Eure Majestät zu sein«, sagte Sherlock Holmes kühl. »Es tut mir leid, daß ich die Sache Eurer Majestät nicht zu einem erfolgreicheren Schluß habe bringen können.«
»Im Gegenteil, mein lieber Herr«, rief der König. »Es hätte nicht erfolgreicher ausgehen können. Ich weiß, daß ihr Wort unerschütterlich ist. Die Fotografie ist jetzt so sicher, als wäre sie im Feuer.«
»Ich bin froh, Eure Majestät so reden zu hören.«
»Ich stehe zutiefst in Ihrer Schuld. Bitte, sagen Sie mir, auf welche Weise ich Sie belohnen kann. Dieser Ring…«
Er zog einen Schlangenring mit einem Smaragd vom Finger und hielt ihn auf der ausgestreckten Hand hin.
»Eure Majestät besitzen etwas, das ich sogar noch höher schätze«, sagte Holmes.
»Sie brauchen es nur zu nennen.«
»Diese Fotografie!«
Der König starrte ihn höchst erstaunt an.
»Irenes Fotografie!« rief er. »Gewiß, wenn Sie sie wünschen«.
»Ich danke Eurer Majestät. Dann gibt es in der Sache wohl nichts mehr zu tun. Ich habe die Ehre, Ihnen einen sehr schönen guten Morgen zu wünschen.« Er verbeugte sich und wandte sich um, ohne die Hand zu beachten, die der König ihm hinstreckte, und machte sich in meiner Begleitung auf den Weg zu seiner Wohnung.
So also war das, als ein großer Skandal das Königreich Bohemia bedrohte und die besten Pläne des Mr. Sherlock Holmes durch den Scharfsinn einer Frau vereitelt wurden. Er hatte sich immer über die Schläue der Frauen lustig gemacht, aber seitdem habe ich dergleichen nicht mehr von ihm gehört. Und wenn er Irene Adler erwähnt oder sich auf ihre Fotografie bezieht, dann geschieht es stets unter dem ehrenvollen Titel: die Frau.
Die Liga der rothaarigen Männer
Im Herbst des letzten Jahres schaute ich eines Tages bei meinem Freund Sherlock Holmes herein und traf ihn, wie er sich lebhaft mit einem ziemlich beleibten älteren Herrn mit blühender Gesichtsfarbe und brandrotem Haar unterhielt. Ich wollte mich mit einer Entschuldigung entfernen, aber Holmes zog mich ins Zimmer und schloß die Tür hinter mir.
»Sie hätten zu keiner besseren Zeit kommen können, mein lieber Watson«, sagte er herzlich.
»Ich befürchtete, Sie hätten zu tun.«
»Das habe ich. Sehr viel sogar.«
»Ich kann ja im Nebenzimmer warten.«
»Keinesfalls. Dieser Gentleman, Mr. Wilson, ist mein Partner und war mein Helfer in vielen der Fälle, die ich erfolgreich zum Abschluß gebracht habe, und ich zweifle nicht, daß er mir auch in Ihrer Angelegenheit außerordentlich nützlich sein wird.«
Der stämmige Herr erhob sich halb aus dem Sessel, senkte grüßend den Kopf und warf mir einen schnellen fragenden Blick aus seinen kleinen, im Fett fast versunkenen Augen zu.
»Setzen Sie sich aufs Sofa«, sagte Holmes, ließ sich wieder in seinen Lehnstuhl zurücksinken und legte, wie es seine Gewohnheit in kritischen Augenblicken war, die Fingerspitzen gegeneinander. »Ich weiß, mein lieber Watson, daß Sie mit mir die Vorliebe für alles Bizarre und außerhalb der Konvention und täglichen Routine Liegende teilen. Sie haben Ihren Gefallen daran in der Begeisterung gezeigt, mit der Sie sich veranlaßt fühlten, so viele meiner kleinen Abenteuer aufzuzeichnen und sie, wenn ich so sagen darf, auch noch auszuschmücken.«
»Ihre Fälle haben mich immer stark interessiert«, stellte ich fest.
»Sie werden sich erinnern: Gestern, als wir in das sehr simple Problem einstiegen, welches Miss Mary Sutherland uns aufgab, sprach ich davon, daß wir wegen ausgefallener Wirkungen und außergewöhnlicher Zusammenhänge ins Leben selber gehen müssen, das stets kühner ist als alle Anstrengung der Phantasie.«
»Eine Behauptung, die ich so frei
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