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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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Wochen vor dem Tag, für den die Hochzeit festgesetzt war, hat sich das schreckliche Ereignis zugetragen, das mich meiner einzigen Gefährtin beraubt hat.«
    Sherlock Holmes hatte sich mit geschlossenen Augen in seinem Sessel zurückgelehnt und den Kopf auf ein Kissen sinken lassen, nun aber öffnete er die Lider ein wenig und blickte seine Besucherin an.
    »Ich bitte Sie, seien Sie ganz präzise mit den Einzelheiten«, sagte er.
    »Das fallt mir nicht schwer, weil jedes Ereignis dieser schrecklichen Zeit in mein Gedächtnis eingebrannt ist. Wie ich schon gesagt habe, ist das Herrenhaus sehr alt, und heute wird nur noch ein Flügel bewohnt. Die Schlafräume in diesem Flügel liegen im Erdgeschoß, die Wohnräume befinden sich im mittleren Trakt des Gebäudes. Der erste Schlafraum ist der von Dr. Roylott, der zweite der meiner Schwester, der dritte meiner. Zwischen ihnen gibt es keine Verbindung, aber sie gehen alle auf denselben Korridor. Drücke ich mich verständlich aus?«
    »Vollkommen.«
    »Die Fenster der drei Zimmer gehen zum Rasen. In jener unheilvollen Nacht war Dr. Roylott schon früh in sein Zimmer gegangen, aber wir wußten, daß er sich nicht zurückgezogen hatte um zu ruhen; meine Schwester fühlte sich nämlich durch den Geruch der starken indischen Zigarren gestört, die er immer raucht. Sie hat deshalb ihr Zimmer verlassen und ist in meines gekommen, und da haben wir eine Weile gesessen und über ihre bevorstehende Heirat geplaudert. Um elf Uhr ist sie aufgestanden, um zu gehen, aber an der Tür ist sie stehengeblieben und hat sich umgedreht.
    ›Sag mir, Helen‹, hat sie gesagt, ›hast du jemals jemanden mitten in der Nacht pfeifen hören?‹
    ›Nie‹, habe ich geantwortet.
    ›Du glaubst nicht, daß du selbst vielleicht im Schlaf pfeifst?‹
    ›Bestimmt nicht. Aber warum denn nur?‹
    ›Weil ich in den letzten paar Nächten immer gegen drei Uhr morgens ein deutliches leises Pfeifen gehört habe. Ich habe ja einen leichten Schlaf und bin davon aufgewacht. Ich weiß nicht, woher es gekommen ist – vielleicht aus dem Nebenzimmer, vielleicht vom Rasen. Ich dachte mir, ich frage dich einfach, ob du es auch gehört hast.‹
    ›Nein, habe ich nicht. Das müssen diese schrecklichen Zigeuner im Gestrüpp sein.‹
    ›Wahrscheinlich. Aber trotzdem – wenn es vom Rasen käme, müßtest du es doch auch gehört haben.‹
    ›Aber ich schlafe doch viel fester als du.‹
    ›Ach, wie auch immer, es ist ja nicht besonders wichtig.‹
    Sie hat mich angelächelt, meine Tür geschlossen, und einige Augenblicke später hörte ich, wie sich ihr Schlüssel im Schloß drehte.«
    »Interessant«, sagte Holmes. »Haben Sie sich nachts immer eingeschlossen?«
    »Ja, immer.«
    »Und warum?«
    »Ich glaube, ich habe schon erwähnt, daß der Doktor einen Geparden und einen Pavian hält. Wir haben uns nie sicher gefühlt, wenn die Türen nicht abgeschlossen waren.«
    »Verständlich. Bitte fahren Sie mit Ihrer Schilderung fort.«
    »In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen. Mich bedrückte ein undeutliches Gefühl von drohendem Unheil. Wie Sie sich erinnern werden, waren meine Schwester und ich Zwillinge, und Sie wissen ja, wie fein die Verbindungen zwischen zwei so eng verwandten Seelen sind. Es war eine wilde Nacht. Draußen heulte der Wind, und der Regen klopfte und klatschte gegen die Fenster. Mitten in all dem Aufruhr des Sturms habe ich plötzlich das laute Schreien einer erschreckten Frau gehört. Ich wußte, es war die Stimme meiner Schwester. Ich bin aus dem Bett gesprungen, habe mich in einen Schal gewickelt und bin auf den Flur gestürzt. Als ich meine Tür öffnete, glaubte ich, ein leises Pfeifen zu hören, so wie meine Schwester es beschrieben hatte, und einige Augenblicke später ein klapperndes Geräusch, so, als wäre ein Stück Metall gefallen. Als ich durch den Korridor gelaufen bin, wurde die Tür meiner Schwester aufgesperrt und drehte sich langsam in den Angeln. Ich habe entsetzt dorthin gestarrt, weil ich nicht wußte, was durch die Tür kommen würde. Im Licht der Flurlampe sehe ich meine Schwester in der Öffnung erscheinen, das Gesicht kalkweiß vor Entsetzen; ihre Hände greifen hilfesuchend um sich, und ihr ganzer Körper schwankt vor und zurück wie der einer Betrunkenen. Ich bin zu ihr gelaufen und habe sie in die Arme genommen, aber in diesem Moment gaben ihre Knie nach, und sie ist auf den Boden gefallen. Sie hat sich gewunden, als hätte sie schreckliche Schmerzen, und ihre Glieder

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