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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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ähnlich dem regelmäßigen Zischen von Dampf, der einem Kessel entweicht. In der Sekunde, da wir dies hörten, sprang Holmes vom Bett auf, riß ein Streichholz an und hieb wütend mit seinem Stock nach dem Klingelzug.
    »Sehen Sie, Watson?« schrie er. »Sehen Sie?«
    Aber ich sah nichts. In dem Moment, da Holmes das Streichholz entzündete, hörte ich ein leises, deutliches Pfeifen, aber das jähe grelle Auflodern vor meinen müden Augen machte es mir unmöglich, festzustellen, wonach mein Freund da so heftig hieb. Ich konnte jedoch sehen, daß sein Gesicht leichenfahl war und erfüllt von Grauen und Abscheu.
    Er hatte zu schlagen aufgehört und starrte hinauf zum Luftschacht, als plötzlich aus der Stille der Nacht der fürchterlichste Schrei brach, den ich jemals gehört habe. Er schwoll lauter und lauter an, ein heiseres Gellen von Qual und Angst und Wut, alles miteinander vermengt in diesem einen entsetzlichen Schrei. Man sagt, daß unten weit im Dorf und sogar im entlegenen Pfarrhaus dieser Schrei die Schläfer aus ihren Betten trieb. Er ließ unsere Herzen gefrieren, und ich stand da und starrte Holmes an, und er mich, bis der letzte Widerhall des Schreies in der Stille erstorben war, aus der er sich erhoben hatte.
    »Was mag das bedeuten?« keuchte ich.
    »Es bedeutet, daß alles vorüber ist«, erwiderte Holmes. »Und vielleicht ist es am Ende so am besten. Nehmen Sie Ihren Revolver, wir wollen in Dr. Roylotts Zimmer gehen.«
    Mit ernstem Gesicht zündete er die Lampe an und ging vor mir den Korridor hinunter. Zweimal klopfte er an die Tür des Raums, ohne daß von innen eine Antwort gekommen wäre. Dann drückte er die Klinke nieder und trat ein. Ich folgte ihm auf den Fersen, den gespannten Revolver in der Hand.
    Der Anblick, der sich unseren Augen darbot, war einzigartig. Auf dem Tisch stand eine Blendlaterne mit halb geöffneter Blende und warf einen gleißenden Lichtbalken auf den eisernen Geldschrank, dessen Tür angelehnt war. Neben dem Tisch, auf dem hölzernen Stuhl, saß Dr. Grimesby Roylott, in einen langen grauen Morgenmantel gekleidet, aus dem seine nackten Knöchel und die Füße hervorragten, die in roten türkischen Pantoffeln ohne Absätze staken. In seinem Schoß lag der kurze Stock mit der langen Leine, die wir tagsüber bemerkt hatten. Sein Kinn war emporgereckt, und seine Augen hingen mit grausig starrem Blick an einer Ecke der Zimmerdecke. Um seine Stirn trug er ein eigenartiges gelbes Band mit bräunlichen Flecken, das dicht um den Kopf gewickelt zu sein schien. Bei unserem Eintritt gab er weder einen Ton von sich, noch machte er eine Bewegung.
    »Das Band! Das gesprenkelte Band!« flüsterte Holmes.
    Ich tat einen Schritt vorwärts; augenblicklich begann dieser seltsame Kopfschmuck sich zu bewegen, und aus dem Haupthaar des Mannes reckten sich der kurze, rautenförmige Kopf und der aufgeblähte Hals einer abscheulichen Schlange.
    »Das ist eine Sumpfotter 35 !« rief Holmes. »Die tödlichste Schlange Indiens! Er ist innerhalb von zehn Sekunden gestorben, nachdem sie ihn gebissen hat. Wahrhaftig, Gewalt fällt auf den zurück, der Gewalt übt, und der Ränkeschmied stürzt in die Grube, die er einem anderen gegraben hat. Wir wollen diese Kreatur zurück in ihre Höhle schaffen, und dann können wir Miss Stoner an einen sicheren Zufluchtsort bringen und der Polizei der Grafschaft mitteilen, was vorgefallen ist.«
    Während er noch sprach, nahm er schnell die Hundepeitsche vom Schoß des Toten, warf die Schlaufe über den Hals des Reptils, zog es von seinem grausigen Thron, trug es mit ausgestrecktem Arm durch den Raum, warf es in den eisernen Geldschrank und verschloß ihn.
     
    Das ist der wahre Hergang des Todes von Dr. Grimesby Roylott aus Stoke Moran. Ich halte es für unnötig, eine bereits viel zu lange Erzählung noch zu verlängern, indem ich berichte, wie wir dem verstörten Mädchen die traurige Nachricht brachten, wie wir sie mit dem Frühzug in die Obhut ihrer lieben Tante zu Harrow schafften, wie der langwierige Prozeß der offiziellen Untersuchung zu der Schlußfolgerung kam, daß der Doktor den Tod fand, als er unvorsichtig mit einem gefährlichen Haustier spielte. Das wenige, was ich über diesen Fall noch nicht wußte, erzählte mir Sherlock Holmes am nächsten Tag während unserer Rückreise.
    »Ich war«, sagte er, »zu einer völlig irrigen Schlußfolgerung gelangt, was uns zeigt, mein lieber Watson, wie gefährlich es ist, von ungenügenden Daten auszugehen. Die

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