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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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das!« Ich gab einen Schuß Brandy ins Wasser, und nach und nach kam wieder Farbe in seine blutleeren Wangen.
    »Es geht schon besser«, sagte er. »Und jetzt möchte ich Sie bitten, Doktor, sich freundlicherweise um meinen Daumen zu kümmern, oder genauer um die Stelle, wo mein Daumen war.«
    Er wickelte das Taschentuch ab und streckte mir die Hand entgegen. Obwohl meine Nerven abgehärtet sind, durchrieselte mich doch ein Schaudern, als ich die Hand betrachtete. Ich sah vier ausgestreckte Finger und eine gräßliche, rote, schwammige Fläche, wo der Daumen hätte sein sollen. Er war aus dem Gelenk gehackt oder gerissen worden.
    »Lieber Himmel!« rief ich. »Das ist ja eine schreckliche Verletzung. Es muß ziemlich stark geblutet haben.«
    »Das stimmt. Ich bin ohnmächtig geworden, als es passiert ist, und ich glaube, daß ich lange Zeit bewußtlos war. Als ich zu mir kam, hat es noch immer geblutet, deshalb habe ich das eine Ende meines Taschentuchs stramm um das Handgelenk gewickelt und mit einen Zweig gespannt.«
    »Ausgezeichnet! Sie hätten Arzt werden können.«
    »Das ist eine Frage der Hydraulik, wissen Sie, also liegt es im Bereich meiner Kenntnisse.«
    Ich untersuchte die Wunde. »Das ist mit einem sehr schweren und scharfen Gegenstand gemacht worden«, sagte ich.
    »Etwas wie ein Hackmesser«, meinte er.
    »Ein Unfall, nehme ich an?«
    »Nein, absolut nicht.«
    »Was, etwa ein mörderischer Anschlag?«
    »Ziemlich mörderisch, ja.«
    »Das ist ja schrecklich.«
    Ich tupfte die Wunde ab, reinigte sie, behandelte sie und verband sie schließlich mit Watte und sterilisierten Binden. Er lehnte sich zurück, ohne mit der Wimper zu zucken; allerdings biß er sich von Zeit zu Zeit auf die Lippe.
    »Wie geht es jetzt?« fragte ich, als ich fertig war.
    »Hervorragend! Mit Ihrem Brandy und Ihrer Bandage fühle ich mich wie ein neuer Mensch. Ich war sehr geschwächt, aber ich habe auch einiges mitmachen müssen.«
    »Vielleicht sollten Sie nicht darüber reden. Es geht Ihnen offensichtlich an die Nerven.«
    »Oh, nein, jetzt nicht mehr. Ich werde meine Geschichte der Polizei erzählen müssen; aber, unter uns gesagt, ohne den überzeugenden Beweis dieser meiner Wunde wäre ich erstaunt, wenn sie meine Erklärung glaubten. Sie ist nämlich sehr ungewöhnlich, und ich habe kaum etwas an Beweisen, um sie zu stützen. Und selbst wenn sie mir glauben, sind doch die Hinweise, die ich geben kann, so vage, daß es mir fraglich erscheint, ob man Gerechtigkeit walten lassen kann.«
    »Ha!« rief ich. »Wenn das so etwas wie ein Problem ist, das Sie gelöst sehen möchten, dann würde ich Ihnen dringend empfehlen, zu meinem Freunde Mr. Sherlock Holmes zu kommen, ehe Sie zur offiziellen Polizei gehen.«
    »Oh, von dem habe ich schon gehört«, erwiderte mein Besucher, »und ich wäre sehr froh, wenn er sich der Sache annehmen wollte, obwohl ich natürlich auch die offizielle Polizei einschalten muß. Könnten Sie mir eine Empfehlung an ihn verschaffen?«
    »Ich werde etwas Besseres tun als dies. Ich werde Sie selbst zu ihm bringen.«
    »Ich wäre Ihnen über alle Maßen verbunden.«
    »Wir rufen eine Droschke und fahren zusammen. Wir werden gerade pünktlich ankommen, um mit ihm ein kleines Frühstück einzunehmen. Fühlen Sie sich der Sache gewachsen?«
    »Ja. Ich werde mich nicht wohl fühlen, bis ich meine Geschichte erzählt habe.«
    »Dann wird mein Dienstbote eine Droschke rufen, und ich bin gleich wieder bei Ihnen.« Ich eilte treppauf, legte meiner Frau kurz die Angelegenheit dar und saß fünf Minuten später in einer Droschke, die meinen neuen Bekannten und mich zur Baker Street brachte.
    Wie ich erwartet hatte, trieb sich Sherlock Holmes im Morgenrock in seinem Wohnraum herum, las die Nachrufe in der
Times
und rauchte seine Vorfrühstückspfeife, gefüllt mit allen Priemen und suddurchtränkten Überresten aus den Pfeifen des Vortags; er pflegte diese auf einer Ecke des Kaminsimses zu sammeln und sorgfältig zu trocknen. Er empfing uns in seiner ruhigen, freundlichen Art, ließ frischen
bacon
und Eier für uns kommen und gesellte sich bei diesem herzhaften Mahl zu uns. Nach dem Frühstück bat er unseren neuen Bekannten, auf dem Sofa Platz zu nehmen, legte ihm ein Kissen unter den Kopf und stellte ein Glas mit Brandy und Wasser in seine Reichweite.
    »Man kann leicht sehen, daß Ihre Erlebnisse nicht eben gewöhnlich waren, Mr. Hatherley«, sagte er. »Bitte legen Sie sich nieder und fühlen Sie sich ganz wie zu

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