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Die Abenteuer des starken Wanja

Die Abenteuer des starken Wanja

Titel: Die Abenteuer des starken Wanja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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Hausdach und rief seinen
Brüdern Grischa und Sascha zu:
    »Ich
hoffe, ihr habt euch nicht weh getan! Hier steht eine Leiter. Gebt acht beim
Heruntersteigen, daß ihr euch nicht die Knochen brecht !«
     
    W anja
kehrte ins Haus zurück und packte sein Reisebündel: ein wenig Wäsche, ein Brot,
ein Stück Speck, einen Beutel mit Zucker. Dann legte er Rock und Mütze bereit
und fuhr in die Schuhe. Während er sich die Schuhriemen um die Waden schnürte,
kam Tante Akulina zur Tür herein. Sie wollte zum Herd eilen, um die Morgensuppe
zu kochen. Auf halbem Weg blieb sie stehen und faßte sich an den Kopf.
    »Alle
himmlischen Heerscharen !« rief sie. »Träume ich, oder
bin ich wach? Wanja, mein Goldstück! Wanjuscha! Du liegst nicht mehr auf dem Backofen ?«
    »Nein«,
sagte Wanja, »dort habe ich lang genug gelegen .«
    »Und
stumm bist du auch nicht mehr !« staunte das Tantchen.
»Dem Himmel sei Dank und den heiligen Kirchenvätern dazu! Laß dich ansehen,
Wanja! Ein Prachtkerl bist du geworden auf deinem Ofen, ein Prachtkerl! Dein
Vater wird Augen machen! — Heda! Wassili Grigorewitsch! Schwager! Wo steckst du
denn? Rasch herbei, in die Wohnstube! Stell dir vor, was geschehen ist! Unser
Wanja ist endlich vom Ofen gestiegen! Und denk dir nur, sprechen kann er auch
wieder! Rasch doch, Wassili Grigorewitsch, rasch doch!«
    Wassili
Grigorewitsch kam herbeigeeilt. Er freute sich, als er sah, daß Wanja vom Ofen
gestiegen war. Aber er sah auch das fertig geschnürte Reisebündel, den Rock und
die Mütze.
    »Du
willst fort, mein Sohn ?«
    »Ja«,
sagte Wanja, »ich ziehe nun in die weite Welt hinaus, wie der Blinde es mich
geheißen hat .«
    »Davon
werde ich dich nicht abhalten«, sagte Wassili Grigorewitsch.
    »Aber
zuvor«, mischte sich Tante Akulina ein, »zuvor mußt du mit uns essen, Wanja —
ein letztes Mal noch! Die Morgensuppe ist rasch gekocht .«
    Wanja
zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann sagte er kopfschüttelnd:
    »Sieben
Jahre, Tantchen, sind eine lange Zeit. Jetzt noch auf die Morgensuppe zu
warten: Ich fürchte, das geht über meine Kraft .«
    »Ach
du!« Tante Akulina drohte ihm mit der Feuerzange. »Hast wohl Angst, daß du was
verpaßt in der weiten Welt draußen! — Wirst du mich, wenn du Zar bist, auch
nicht vergessen und mir was Schönes schenken ?«
    »Gewiß
doch !« versicherte Wanja. »Sagen wir — einen goldenen
Teekessel .«
    »Einen
goldenen...«
    »Ja,
einen goldenen Samowar, außen mit silbernen Glöckchen dran, und der Deckel mit
Edelsteinen besetzt .«
    Er
küßte das Tantchen zum Abschied auf beide Wangen, dann bat er Wassili Grigorewitsch
um den Reisesegen.
    Der
Bauer umarmte ihn feierlich.
    »Gott
mit dir, mein Sohn Wanja!«
    »Und
mit euch allen, Vater!«
    Wanja
nahm Jacke und Mütze auf und warf sich das Reisebündel über die Schulter. Ohne
den Blick noch einmal zurückzuwenden, verließ er die Stube.
    Grischa
und Sascha waren inzwischen vom Dach geklettert, er traf in der Haustür mit
ihnen zusammen.
    »Lebt
wohl, ihr beiden! Ihr werdet mich nicht vermissen, denke ich — und ich hoffe,
ihr werdet mir wegen der sieben Jahre nicht länger böse sein .«
    »Was
gewesen ist«, sagte Grischa, »das ist nun vorbei .« Er
gab ihm die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. »Glück auf den Weg, Bruder
Wanja !«
    Auch
Sascha wünschte ihm eine gute Reise. »Und laß von dir hören«, sagte er, »wenn
du Zar bist .«
    »Das
will ich euch gern versprechen«, erwiderte Wanja. »Es kann aber eine Weile
dauern .«
    Grischa
und Sascha, Wassili Grigorewitsch und das Tantchen, das sich von Zeit zu Zeit
mit dem Schürzenzipfel die Augen wischte, begleiteten Wanja ans Hoftor und
blickten ihm nach.
    Das
Bündel geschultert, die Mütze keck auf das linke Ohr gerückt, schritt er die
Straße hinunter, zum Dorf hinaus. Wo er vorbeikam, steckten die Mädchen die
Köpfe zusammen und tuschelten.
    »Kennt
ihr den? Ist das nicht...«
    »Ja
doch, das ist der faule Wanja, das muß er sein .«
    »Prächtig
hat er sich auf dem Ofen herausgemacht. Wanja! He, Wanja!«
    »Ruf
lauter, er hört dich nicht !«
    Aber
so laut sie auch riefen, die Mädchen — der starke Wanja achtete nicht darauf:
Er schritt seines Weges und pfiff sich eins.

Zweites Buch

    P feifend
zog Wanja zum Dorf hinaus, am Teich mit der Badehütte vorbei, durch das
Birkenwäldchen, wo er vor sieben Jahren dem blinden Alten begegnet war, immer
der Straße nach.
    Bald
lag die freie Steppe vor ihm. Kein Baum, kein Strauch weit und

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