Die Abenteuer des starken Wanja
auf. »Scher dich zum Teufel,
Fremder! Wir lassen uns nicht verspotten von dir !«
Wanja
legte die Hand aufs Herz und erwiderte, daß es ihm ernst sei mit seinen Worten,
das schwöre er.
»Unsinn !« riefen die Männer. »Die Strömung ist stark, und das
Schiff ist schwer. Siehst du nicht, wie wir zwölf uns schinden müssen? Und du
Großmaul willst es allein den Fluß hinaufziehen ?«
»Lassen
wir’s darauf ankommen !«
Wanja
griff sich das Seil. Mit Leichtigkeit zog er den Schleppkahn hinter sich her,
als sei er ein Schiff aus Rinde.
Da
staunten die Männer, und Wanja lachte.
»Na,
was ist ?« rief er ihnen zu. »Wollt ihr nicht
aufsitzen? Das ist besser, als hinterdreinzulaufen !«
Das
ließen die Schiffsleute sich nicht zweimal sagen. Rasch krempelten sie die
Hosen hoch, stiegen ins Wasser und kletterten auf den Kahn. Wanja zog sie mit
Schiff und Ladung den Fluß hinauf.
»Donnerwetter !« sagten sie. »Er allein schafft es doppelt so schnell wie
wir alle zusammen! Das ist aber mal ein Glückstag für uns !«
Sie
ließen die Beine ins Wasser baumeln und stimmten ein Lied an, ein lustiges
diesmal, versteht sich.
Das
Lied hatte siebenunddreißig Strophen.
Und
immer, wenn sie die siebenunddreißig Strophen zu Ende gesungen hatten, fingen
sie wieder von vorne an.
N ach einigen Wochen kam Wanja in
eine Gegend mit großen, stattlichen Bauerndörfern inmitten von reichen Feldern
und prächtigen Obstgärten. Die Leute in diesem gesegneten Landstrich hätten
zufrieden und glücklich sein müssen, meinte er. Trotzdem entdeckte er nicht ein
einziges frohes Gesicht hier. Männer und Frauen, ja selbst die Kinder, denen er
unterwegs begegnete, sahen bedrückt und ängstlich aus. Wanja merkte es wohl,
doch was gingen ihn fremder Leute Gesichter an? Er zog seines Weges und dachte
sich weiter nichts dabei.
Die
Nacht verbrachte er draußen auf freiem Feld in einem Heuschober. Vor dem
Einschlafen sah er die Leute, denen er während des Tages begegnet war, noch
einmal im Geiste an sich vorüberziehen. Sie blickten ihn stumm und traurig an.
In ihrem Schweigen, das spürte er, lag ein Vorwurf.
»Ich
hätte sie fragen sollen, wovor sie sich fürchten«, dachte er. »Morgen muß ich
das nachholen. Möglich, daß ihnen zu helfen ist.«
Mit
diesem Vorsatz schlief Wanja ein. Er schlief ruhig und fest, wie es seine
Gewohnheit war.
Um
Mitternacht wurde er plötzlich von einem gräßlichen Lärm geweckt. Er fuhr aus
dem Schlaf hoch und horchte.
Was
war das, um Himmels willen? Brach da ein Sturm los, ein Unwetter?
Etwas
Gutes war es auf keinen Fall. Heulend und fauchend, mit Brüllen, Johlen und
Pfeifen kam es über die Felder herangebraust. Gleich mußte es Wanja den
Heuschober über dem Kopf davon wirbeln! Aber nein: Der Gewittersturm, oder was
immer es war, zog vorüber. Er richtete keinen Schaden an, unversehrt ließ er
das Feld und den Heuschober hinter sich zurück.
Weiter
weg dann, in einer Entfernung von drei, vier Werst etwa, schien das Wetter sich
zu entladen. Wanja hörte ein dumpfes Rollen und Grollen, als rumpelten schwere
Wagen in langem Zug über eine Holzbrücke.
Wenig
später verebbte auch dort der Lärm, und nun wurde es wieder still draußen,
still wie zuvor. Wanja steckte den Kopf ins Freie und blickte umher. Der Himmel
über den Feldern war sternklar und wolkenlos.
»Merkwürdig«,
überlegte der starke Wanja. »Ein Unwetter kann es schwerlich gewesen sein —
jedenfalls keines, bei dem es mit rechten Dingen zugeht .«
Was
aber war es dann gewesen?
Er
wußte es nicht. Und es hatte auch keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu
zerbrechen. Das einzig Vernünftige, was er tun konnte, war: sich aufs Ohr zu legen
und nicht mehr daran zu denken.
K eine vier Werst von der Stelle entfernt, wo
Wanja die Nacht verbracht hatte, lag das nächste Dorf. Aber wie sah es aus!
Häuser, Scheunen und Schuppen waren zerstört. Wo die Bauernhöfe gestanden
hatten, lag wirr durcheinandergeworfenes Balkenwerk, Bretter und Dachstroh
dazwischen, zerbrochene Türstöcke, hier und da ein Stück Hausrat, ein Tisch,
eine Bank, ein zerschlagener Tonkrug, der Ziegelschutt von geborstenen Öfen und
Schornsteinen. Zäune und Hoftore waren niedergebrochen, das Brennholz, das Heu
und die Bienenkörbe in alle Winde verstreut. Am ärgsten verwüstet waren die
Obstgärten: Hunderte von entwurzelten Bäumen, Stamm über Stamm gestürzt,
unentwirrbar mit Ästen und Wurzelwerk ineinander verhakt.
»Großer
Gott !« dachte Wanja,
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