Die Abenteuer des starken Wanja
wissen.
»Ich
bin der Fährmann«, sagte er, »das ist meine Sache !«
»Und
ich bin der starke Wanja. Ich dulde nicht, daß du dich für mich abrackerst .«
Dabei
blieb es, und Wanja ruderte selbst die Fähre über den Strom. Der Alte saß ihm
gegenüber auf einer Kiste, die Hände im Schoß gefaltet, den Kopf gesenkt.
»Nicht
gerade die leichteste Arbeit für einen Greis«, meinte Wanja zwischen zwei
Ruderschlägen.
»Aber
sie muß getan werden«, sagte der Fährmann.
»Warum
läßt du sie dir nicht abnehmen ?« fragte Wanja.
Da
seufzte der Alte und senkte den Kopf noch tiefer.
»Ich
hatte zwei Söhne«, sagte er. »Sie sind fortgegangen und nicht zurückgekehrt .«
Er
stützte den Kopf in die Hände und schloß die Augen. Von Müdigkeit übermannt
schlief er ein — und erwachte erst wieder, als die Plätte am anderen Ufer knirschend
auf den Kies lief.
»Ach«,
meinte er, sich die Augen reibend, »ich habe geschlafen? Nimm mir’s nicht übel,
Fremder! Seit das Eis auf dem Strom geschmolzen ist, finde ich Tag und Nacht keine
Ruhe. Immerzu kommen Leute und lassen sich übersetzen. Was gäbe ich drum, wenn
ich wieder einmal ein paar Stunden ungestört schlafen könnte .«
»Wenn’s
weiter nichts ist !« sagte Wanja. »Ich mache dir einen
Vorschlag, Väterchen: Laß uns zu deiner Hütte zurückkehren, an das andere Ufer;
dann schläfst du dich aus — und ich versehe einstweilen den Fährdienst für dich !«
Der
Alte sah ungläubig zu ihm auf.
»Ist
das dein Ernst ?«
»Sonst
hätte ich dir’s nicht vorgeschlagen .«
Wie
Wanja gesagt hatte, so geschah es. Sie kehrten ans andere Ufer zurück, und der
Fährmann legte sich in der Hütte zur Ruhe nieder. Kaum daß er die Augen
geschlossen hatte, da schlief er schon.
D er starke Wanja ruderte nun die
Leute, die zu der Fähre kamen, über den Strom. Der Nebel, der über dem anderen
Ufer lag, wurde dichter von Tag zu Tag — und der Fährmann schlief. Er schlief
Tag und Nacht; einen Tag, zwei Tage, drei: eine volle Woche lang! Dann hatte er
endlich ausgeschlafen. Er kam aus der Hütte und sagte zu Wanja:
»Ich
danke dir tausendmal, Fremder, daß du seit gestern für mich auf dem Posten
gewesen bist. Nun fühle ich mich um zehn Jahre jünger und kräftiger .«
»Dann
ist es ja gut«, meinte Wanja lachend; »auch wenn du in Wirklichkeit eine ganze
Woche verschlafen hast !«
»Ist
das möglich ?« staunte der Alte.
»Ja«,
sagte Wanja. »Aber es hat mir nichts ausgemacht .«
Er
holte Waron aus dem Stall und sattelte ihn. Als er ihn dann zur Plätte
hinabführte, lichteten sich die Nebel am anderen Ufer des Stromes und gaben den
Blick auf ein fernes Gebirge frei: auf mächtige Felsenberge, die Gipfel von
Schnee und Eis bedeckt, grelle Sonne darauf.
»Welch
ein Anblick !« rief Wanja.
Der
Fährmann hatte sich abgewandt.
»Ich
mag sie nicht sehen, die Weißen Berge«, sagte er.
Wanja
stutzte, als er den Namen hörte.
»Die
— Weißen Berge, Väterchen?«
»Ja«,
sagte der Alte mit leiser Stimme. »Die Weißen Berge, die gottverfluchten... Du
willst doch nicht etwa hin ?«
»Doch«,
sagte Wanja und tätschelte seinem Rappen den Hals. »Dorthin will ich. Ich habe
die halbe Welt danach abgesucht .«
Diesmal
ließ es der alte Mann sich nicht nehmen, Wanja und seinen Rappen selbst an das
andere Ufer zu bringen. In der Mitte des Stromes setzte er eine Weile mit
Rudern aus. Während die Fähre langsam den Fluß hinabtrieb, sagte er:
»Du
mußt wissen, Fremder, daß in den Weißen Bergen der steinerne Ritter Foma
Drachensohn haust. Er bewacht dort die Rüstung des Zaren Iwan Wassiljewitsch.
Wer sie ihm abnimmt, so heißt es, soll in dem Lande, das jenseits der Weißen
Berge liegt, Zar werden. Viele Burschen aus unseren Dörfern am Strom, darunter
auch meine Söhne, sind ausgezogen um dieser Rüstung willen und nicht
zurückgekehrt. Foma Drachensohn hat sie im Kampf besiegt, er hält sie in einer
Felsenhöhle gefangen. Auch dich wird er darin einsperren, wenn du ihm
unterliegst — und ich fürchte, du unterliegst ihm .«
Das
müsse sich erst noch herausstellen, meinte Wanja. Er habe den bösen Och
überwunden, den Räuber Batur und die Baba-Jaga — warum sollte er diesmal kein
Glück haben?
»Ich
werde, wenn Gott es will, die gefangenen Burschen befreien und mir die Rüstung
des Zaren holen«, sagte er. »Schließlich habe ich nicht umsonst sieben Jahre lang
auf dem Backofen gelegen .«
Der
Fährman versuchte nicht erst, ihn davon
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